Charles Gayle – Piano, Saxophon
Ksawery Wojcinski – Bass
Aleksandar Škorić – Schlagzeug
Charles Gayle begann auf seinem Saxophon sofort mit aggressiv wilden Tönen, hinter denen anfangs selbst das Schlagzeug zurückstand. In den ersten Minuten jedenfalls – spätestens mit seinem Solo übernahm auch Schlagzeuger Aleksandar Škorić diesen kräftigen Drive. Er arbeitet an seinem Schlagzeug mit der Kraft eines eines Hauers aus dem Bergwerk, kämpft wie mit einem wilden Tier und entfesselt auf seinen Trommeln und Becken eine ungeheure Energie. Ebenso wie Charles Gayle, als dieser wieder hinzukommt. Ksawery Wojcinski am Bass bleibt bei all den kräftigen Tönen – auch wenn er ebenfalls kräftig in seine Saiten greift – eher im Hintergrund. Ein wenig scheint er der ruhende Pol zu sein. Im Solospiel erweist aber auch er sich als ebenbürtiger Spieler.
Später setzt sich Charles Gayle ans Klavier, und spielte er eben noch am Saxophon voller Kraft und Aggressivität, so scheint er jetzt ein ganz anderer Musiker zu sein. Beinahe klassisch mutet sein Klavierspiel an. Zwar auch mit Kraft, aber voller Harmonie spielt er den Flügel. Da bildet dann Ksawery Wojcinski mit dissonant gestrichenen Basssaiten den Gegenpart zum Klavier. Als Gayle pausiert, spielt Wojcinski am Baß eine nach Orient klingende Melodie, die Škorić überraschend leise, mit ruhigen Glockentönen begleitet.
Beinahe unvermittelt setzt Škorićs Schlagzeug wieder mit voller Kraft ein, begleitet ein ebenfalls wieder kräftig werdendes Piano mit schneidend scharfen Trommelschlägen. Der Zuhörer fühlt sich wie im Inneren einer Maschine, deren Teile laut aufeinander krachen. Die überaus kräftige Musik des Trios, die einem Jazz-Unerfahrenen vielleicht zunächst wie Krach vorkommen könnte, hat etwas geniales: sie bläst und schlägt das Gehirn frei von allen anderen Klängen und Gedanken. Es ist wie ein auf Null setzen, wie ein Signal zum Neuanfang. (Kleine Anekdote am Rande: eine Konzertbesucherin berichtete später, dass auf ihrer Arbeitsstelle den ganzen Tag über seichte Schlager dudelten, die "nur schwer auszuhalten" waren. "Schon nach den ersten Minuten im Konzert fühlte ich mich so herrlich frei, die Gedanken an all die schlechte Musik waren völlig aus meinem Kopf verschwunden".)
Nach der Pause ist die Musik des Trios zumindest von der Lautstärke her etwas zurückhaltender. Nicht aber in ihrer Expressivität. Zum verzerrten Saxophon, mit dem Charles Gayle eine Geschichte zu erzählen scheint, liefert der Bass dunkle Borduntöne. Dann Bass und Schlagzeug im Duo – auch die beiden passen wunderbar zusammen: unerwartet nach der vorherigen Wildheit kann Max Andrzejewski am Schlagzeug auch ganz leise und zurückhaltend sein.
Das Konzert der drei Musiker war eine überwältigende Erfahrung, ein extremes Hörerlebnis. Ich weiß gar nicht, von wem ich mehr beeindruckt sein soll, von Charles Gayles Wandelbarkeit (mal wild sein Sax schreien lassend, mal einfühlsam am Klavier), von Aleksandar Škorićs Wildheit am Schlagzeug oder von der Ruhe Ksawery Wojcinskis, der bei aller Energie der beiden anderen Musiker unerschütterlich ruhig bleibt.
Am Ende steht eine Zugabe mit einer nochmals völlig wilden Interaktion von Piano und Schlagzeug, bei der Charles Gayle und Max Andrzejewskis ihre Instrumente wie untereinander synchronisiert bearbeiten, nochmal mit voller Kraft in die Tasten und auf die Trommeln schlagend. Charles Gayle kam dann noch einmal nach vorn, um sich beim Publikum für das Hören seiner Musik zu bedanken.
Nach dem Konzert berichtete Charles Gayle mir unter anderem von seiner musikalischen Herkunft: "Als Kind lernte ich wie meine Schwestern zuerst, Klavier zu spielen. Bach und solche Musik. Später kamen dann Rock und Jazz hinzu. Aber Bach ist immer noch ganz tief in mir drin."
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