Frank Gratkowski
Benjamin Weidekamp
Florian Bergmann
Christian Weidner
Die Instrumente brauchen hier nicht einzeln aufgeführt werden – denn bereits dem Namen der Band ist schon zu entnehmen, daß die vier Musiker allesamt auf Altsaxophonen spielen. Eine Besetzung, die – wie Warnfried Altmann in seiner Anmoderation sagte – wohl einmalig sein dürfte.
Fo[u]r Alto: Frank Gratkowski, Christian Weidner, Benjamin Weidekamp, Florian Bergmann (v.l.n.r.) |
Wie interpretiert man nun diese Musik? Da wird wohl jeder Hörer des Konzertes seine eigene Variante haben. Für mich war die Musik eher in der sogenannten Neuen Musik einzuordnen, in der Minimal Music, die mit langdauernden Folgen sich nur geringfügig ändernder Melodiemuster arbeitet. Dieses Prinzip treibt Fo[u]r Alto damit auf die Spitze, daß diese Melodien oft aus mikrotonalen Veränderungen bestehen, aus Tonunterschieden von nur einem Viertelton oder weniger. Um diese Variationen sauber zu spielen, mußten die Musiker hochkonzentriert sein. Darin unterstützt wurden sie durch die Zeitanzeige auf einem Laptop-Bildschirm, der als Dirigent des Quartetts fungierte.
Das Saxophon kennt man zumeist als kräftiges Melodieinstrument. Hier aber, beispielsweise im zweiten Stück, tönten die Saxophone überwiegend leise und verhalten, wurden die Instrumente zum Teil auch nur so leicht angeblasen, vielleicht eher angehaucht, daß es geradeso nicht zum entstehen des typischen Saxophon-Klanges reichte und stattdessen nur Windgeräusche zu hören waren, das Saxophon zum Percussion-Instrument wurde. Statt metallischer Saxophontöne gab es Geräusche, die nach dem Pfeifen eines kochenden Wassertopfes, langsamen Atemgeräuschen eines großen Tieres oder Meeresrauschen klangen. Dann wieder kurz gespielte Töne, die ein dadaistisches Durcheinander ähnlich Kurt Schwitters Ursonate ergaben.
Das zweite Set des Abends erforderte einige technische Umbauten. Die Musiker stellten sich an den vier Ecken des Raumes auf, um von dort aus einen noch räumlicheren Schalleindruck zu erzeugen. "Baden im Klang" nannte das Gratkowsky erklärend und forderte die Zuhörer auf, auch einmal den Kopf zu drehen und in unterschiedliche Richtungen zu hören. "Sie werden durch die Verteilung der Instrumente und durch die Reflexionen des Raumes dann jeweils etwas anders hören". Das ganz schlicht mit "Sound 1" überschriebene Stück bestand aus ganzen 24 Takten auf einer einzigen Notenseite, die über eine halbe Stunde gespielt wurden. Um dabei synchron spielen zu können, zeigten an den Notenständern befestigte Handys eine untereinander synchronisierte Zeit in Minuten und Sekunden an. Die jeweiligen Zeiten der Taktwechsel waren auch auf den Notenblättern vermerkt.
Vorbereitung in der Pause: die Noten für das zweite Set |
Über 30 Minuten und 40 Sekunden hinweg erfüllten meditative Töne den Raum, konnte man sich geschlossenen Auges den ruhigen betörenden Klängen hingeben, seine Gedanken schweifen lassen, sich Bilder zu den Klangmalereien denken. Die halbe Stunde, die für die Zuhörer scheinbar schnell verging, forderte den Musikern eine große Kraft ab.
Auch wenn das letzte Stück ursprünglich für die Aufführung in einer Kirche komponiert wurde, in der man auf Grund des Halls keinen konkreten Ort des Tones mehr heraushören kann, funktioniert das Klangexperiment auch im Foyer des Schauspielhauses. Das Publikum lauschte der Musik sehr konzentriert, vor allem beim zweiten Set mit seinen halbstündigen meditativen Tönen. Am Ende des Sets blieb es erst einmal lange Zeit ruhig im Saal, so sehr wirkte der ruhige Eindruck der Musik noch nach. Daß es dann zunächst nur sehr verhaltenen Applaus gab, war deshalb kein Ausdruck von Mißfallen, sondern lag ganz einfach an dem Gefühl, aus der Ruhe noch nicht wieder auftauchen zu wollen.
Warnfried Altmann sagte nach dem Konzert, er wisse, daß das Publikum von Jazz in der Kammer inzwischen auch musikalischen Experimente gewöhnt sei. Allerdings dauere es, bis sich das Vertrauen in die musikalische Vielfalt und die Qualität der Konzerte einstellt, um sich bereitwillig auch auf ungewohnte Klänge einzulassen.