Montag, 17. Dezember 2012

Fo[u]r Alto

Fo[u]r Alto spielte in folgender Besetzung:
Frank Gratkowski
Benjamin Weidekamp
Florian Bergmann
Christian Weidner

Die Instrumente brauchen hier nicht einzeln aufgeführt werden – denn bereits dem Namen der Band ist schon zu entnehmen, daß die vier Musiker allesamt auf Altsaxophonen spielen. Eine Besetzung, die – wie Warnfried Altmann in seiner Anmoderation sagte – wohl einmalig sein dürfte.

Fo[u]r Alto: Frank Gratkowski, Christian Weidner,
Benjamin Weidekamp, Florian Bergmann (v.l.n.r.)
Das erste Stück des Konzertes – Tam Tam 4a – sollte mit seinen Klängen an Tamtams erinnern, an Gongs und Klangschalen, an klingendes Blech, das keine exakte Tonhöhe hat. Mit ihren nahezu gleich tönenden Saxophonen immitierten die vier Musiker völlig unterschiedliche Instrumente, unter denen man neben anderen Klängen tatsächlich so etwas wie große, angeschlagene oder angestrichene Blechplatten heraushören mochte. In seinen Stücken nutzte Fo[u]r Alto Efekte aus, die man im Zusammenspiel von Instrumenten normalerweise sorgsam vermeidet. Instrumente werden so gestimmt und gespielt, daß sie exakt zusammen klingen. Hier aber werden kleinste Tonunterschiede bewußt hörbar gemacht. Durch Frequenzunterschiede von wenigen Herz oder auch weniger als ein Herz entstehen Schwebungen der Töne, deutlich vernehmbare Lautstärkeänderungen, mit deutlichen Schwebungsfrequenzen. Durch das koordinierte Spiel ergänzen sich die untereinander gleichen Instrumente zu einem scheinbaren Dauerton, nur unterbrochen durch das plötzliche Aufploppen einzelner Töne. Man mag die Musik auch mit der aus Synthesizern vergleichen, denn auch dort werden Töne durch Überlagerung neu zuammengesetzt. Das zunächst scheinbare Durcheinander entwickelt erst allmählich (das erste Stück hatte immerhin eine Dauer von einer Viertelstunde) sein System. Erst nach und nach wird das Ohr empfindlich für Geräusche, die sich aus dem Grundton herausheben, vermag es Klangassoziationen zu entwickeln. Da ertönt auf einmal ein wildes Geschnatter wie von einer Gänseherde oder wild diskutierender Menschen (was manchmal keinen Unterschied macht). Dann wieder meinte man, Fanfaren vorbeifahrender Lkw oder Sirenentöne herauszuhören.

Wie interpretiert man nun diese Musik? Da wird wohl jeder Hörer des Konzertes seine eigene Variante haben. Für mich war die Musik eher in der sogenannten Neuen Musik einzuordnen, in der Minimal Music, die mit langdauernden Folgen sich nur geringfügig ändernder Melodiemuster arbeitet. Dieses Prinzip treibt Fo[u]r Alto damit auf die Spitze, daß diese Melodien oft aus mikrotonalen Veränderungen bestehen, aus Tonunterschieden von nur einem Viertelton oder weniger. Um diese Variationen sauber zu spielen, mußten die Musiker hochkonzentriert sein. Darin unterstützt wurden sie durch die Zeitanzeige auf einem Laptop-Bildschirm, der als Dirigent des Quartetts fungierte.

Das Saxophon kennt man zumeist als kräftiges Melodieinstrument. Hier aber, beispielsweise im zweiten Stück, tönten die Saxophone überwiegend leise und verhalten, wurden die Instrumente zum Teil auch nur so leicht angeblasen, vielleicht eher angehaucht, daß es geradeso nicht zum entstehen des typischen Saxophon-Klanges reichte und stattdessen nur Windgeräusche zu hören waren, das Saxophon zum Percussion-Instrument wurde. Statt metallischer Saxophontöne gab es Geräusche, die nach dem Pfeifen eines kochenden Wassertopfes, langsamen Atemgeräuschen eines großen Tieres oder Meeresrauschen klangen. Dann wieder kurz gespielte Töne, die ein dadaistisches Durcheinander ähnlich Kurt Schwitters Ursonate ergaben.

Das zweite Set des Abends erforderte einige technische Umbauten. Die Musiker stellten sich an den vier Ecken des Raumes auf, um von dort aus einen noch räumlicheren Schalleindruck zu erzeugen. "Baden im Klang" nannte das Gratkowsky erklärend und forderte die Zuhörer auf, auch einmal den Kopf zu drehen und in unterschiedliche Richtungen zu hören. "Sie werden durch die Verteilung der Instrumente und durch die Reflexionen des Raumes dann jeweils etwas anders hören". Das ganz schlicht mit "Sound 1" überschriebene Stück bestand aus ganzen 24 Takten auf einer einzigen Notenseite, die über eine halbe Stunde gespielt wurden. Um dabei synchron spielen zu können, zeigten an den Notenständern befestigte Handys eine untereinander synchronisierte Zeit in Minuten und Sekunden an. Die jeweiligen Zeiten der Taktwechsel waren auch auf den Notenblättern vermerkt.

Vorbereitung in der Pause: die Noten für das zweite Set

Über 30 Minuten und 40 Sekunden hinweg erfüllten meditative Töne den Raum, konnte man sich geschlossenen Auges den ruhigen betörenden Klängen hingeben, seine Gedanken schweifen lassen, sich Bilder zu den Klangmalereien denken. Die halbe Stunde, die für die Zuhörer scheinbar schnell verging, forderte den Musikern eine große Kraft ab.

Auch wenn das letzte Stück ursprünglich für die Aufführung in einer Kirche komponiert wurde, in der man auf Grund des Halls keinen konkreten Ort des Tones mehr heraushören kann, funktioniert das Klangexperiment auch im Foyer des Schauspielhauses. Das Publikum lauschte der Musik sehr konzentriert, vor allem beim zweiten Set mit seinen halbstündigen meditativen Tönen. Am Ende des Sets blieb es erst einmal lange Zeit ruhig im Saal, so sehr wirkte der ruhige Eindruck der  Musik noch nach. Daß es dann zunächst nur sehr verhaltenen Applaus gab, war deshalb kein Ausdruck von Mißfallen, sondern lag ganz einfach an dem Gefühl, aus der Ruhe noch nicht wieder auftauchen zu wollen.

Warnfried Altmann sagte nach dem Konzert, er wisse, daß das Publikum von Jazz in der Kammer inzwischen auch musikalischen Experimente gewöhnt sei. Allerdings dauere es, bis sich das Vertrauen in die musikalische Vielfalt und die Qualität der Konzerte einstellt, um sich bereitwillig auch auf ungewohnte Klänge einzulassen.

Mittwoch, 12. Dezember 2012

Vorschau Dezember

Am 17. Dezember steht ab 20 Uhr Fo(u)r Alto auf der Bühne des Schauspielhauses. Im Namen der Band ist schon der musikalische Inhalt enthalten – Fo(u)r Alto besteht aus vier Altsaxophonen, gespielt von
Frank Gratkowski
Benjamin Weidekamp
Florian Bergmann
Christian Weidner

Eine Zusammensetzung, bei der man sich erst einmal fragt, "was denn, nur vier gleiche Instrumente, sonst nichts?". Nein, sonst nichts. Aus diesen vier Instrumenten entsteht eine sehr eigenartige Musik, die nur wenig mit dem klassischen Jazz zu tun hat, die eher in der neuen Musik zu verorten ist. Was schon die Hörproben auf der Bandwebseite zeigen: die Musik der vier Saxophonisten lebt vom Spielen, genauer vom Experimentieren mit Ton- und Rhytmusverschiebungen, mit Interferenzen und mikrotonalen Klangunterschieden. Musik, wie sie sonst vielleicht auf Synthesizern der 80er Jahre entstand, wird hier auf realen Instrumenten gespielt. Ganz sicher wird das Dezemberkonzert nicht unter dem Titel "süßer die Saxophone nie klingen" stehen. Freunde der improvisierten Musik dagegen werden auf ihre Kosten kommen. Wer sich auf Klangexperimente einläßt, der wird auf jeden Fall einen interessanten Abend haben. Zumal die Instrumente live gespielt eine ganz andere Wirkung entfachen, die Schwingungen und Schwebungen anders als in den Hörproben auch räumlich wirken.

Montag, 19. November 2012

Kaleidoscope String Quartett

Kaleidoscope String Quartett mit
Simon Heggendorn – Violine
Ronny Spiegel – Violine
David Schnee – Viola
Bruno Fischer – Violoncello
Simon Heggendorn, Ronny Spiegel,
David Schnee, Bruno Fischer (v.l.n.r.)

Das Kaleidoscope String Quartett spielt in einer für den Jazz wohl einmaligen Besetzung, in der eines klassischen Streichquartetts. Zwei Violinen, eine Viola, ein Cello. Eine Jazzband ohne Rhythmusinstrument, Percussion oder Schlagzeug – geht das denn, mag sich manch einer gefragt haben. Doch gleich nach den ersten Stücken war die Antwort klar: ja, das geht, und sogar bestens. Das Magdeburger Jazzpublikum war jedenfalls begeistert von der Mischung, und möglicherweise lag es auch an der Neugier auf diese interessante Besetzung, die das Foyer des Schauspielhauses so voll wie schon lange nicht werden ließ.

Dabei setzte die Band nicht auf pure Harmonie und den Wohlklang der klassischen Instrumente, sondern auf das Ausprobieren klanglicher Vielfalt. Sowohl in der Harmonik als auch der Dynamik der Stücke. So wie bei "Wishes", mit dem das Konzert begann. Ganz zart kristallisierte sich aus leisen, aber anfangs noch disharmonischen Tönen eine Melodie heraus, wurden Rhythmen eingeführt. Faszinierend zu erleben, wie konzentriert und doch scheinbar leicht die Musiker mit den Herausforderungen umgingen, die ihnen Bandleader Simon Heggendorn mit seinen Stücken gestellt hat. Diese sind ursprünglich durchkomponierte Sätze – durch den Verzicht auf Noten bekommt das Konzert aber eine angenehme Lebendigkeit, klingt die Musik vielfach wie improvisiert. Spielerisch leicht und fast wie von selbst fügen sich die Melodien zusammen. Die Musik einer Gattung zuzuordnen fällt schwer. Bei einigen Stücken hörte ich Ansätze osteuropäischer Musik heraus, sah bei anderen die Berglandschaften der Schweiz beschrieben oder vernahm Anleihen bei Sibelius. Wenn dann aber das Cello wie in "Groovy" einen gezupften Baßrhytmus zugrundelegte, in den die anderen Instrumente einfielen, hatte die Musik beinahe etwas rockiges. Ebenso wenn die Rhythmen in einer nach Beat-Boxing klingenden Art durch das Schlagen der Bögen auf die Seiten erzeugt wurden. Viele der Stücke hatten aber im Grunde etwas zutiefst meditatives, was den Wunsch weckte, die Augen zumachen und  einfach nur noch lauschen zu wollen.

Als Zugabe erklang das letzte Stück der aktuellen CD, "One Life", das nochmals ganz leise begann. Die Bögen der Streicher strichen die Korpusse der Instrumente, was wie ein langsames, tiefes Ein- und Ausatmen klang, mit man seinen eigenen Atem unwillkürlich synchronisierte. Erst ganz leise stimmten erst die Violine und dann die anderen Instrumente ein, um dann aus leisen Tönen allmählich ein kräftiges Finale zu entwickeln.

Was so scheinbar leicht dahingespielt herkam, beruht aber auf echtem musikalischem Können. Anders wären die komplizierten, teils vierstimmigen Melodien gar nicht so perfekt zu spielen. Den Musikern kommt dabei ihre Ausbildung an klassischen Instrumenten zu Gute.

Auch aus einer anderen Sicht war der Abend bemerkenswert: das Konzert kam ohne elektronische Hilfmittel, ohne Mikrofon und Verstärkung aus. Die Instrumente reichten aus, das Foyer der Kammerspiel zu erfüllen. So war es eine schöne Gelegenheit, die eigenen Ohren mal wieder auf unverfälschten Klang zu eichen, neu zu kalibrieren. Das funktioniert vor allem in der zweiten Konzerthälfte, als der Barkeeper die sonst deutlich vernehmbar rauschenden Kühlschränke abgeschaltet hatte. Das Magdeburger Publikum war (wie immer) sehr diszipliniert und aufmerksam und ließ die leisen Töne bis zum Ende ausklingen. Das war Hifi pur.


Sonntag, 11. November 2012

Vorschau November

Am Novembertermin von Jazz in der Kammer am 19. November spielt das Kaleidoscope String Quartett aus der Schweiz, mit
Simon Heggendorn – Violine
Ronny Spiegel – Violine
David Schnee – Viola
Bruno Fischer – Violoncello

Eine nicht nur für die Magdeburger Jazzreihe sehr ungewöhnliche Band: Vier Streichinstrumente, und sonst nichts, kein Schlagzeug, kein Blasinstrument, nicht einmal ein Baß. Aber gerade deshalb verspricht der Abend mit dieser exotisch scheinenden Besetzung ein sehr interessanter zu werden. Die Zusammensetzung der Instrumente entspricht der eines klassischen Streichquartetts, die Musiker allerdings kommen aus beiden Welten, teils aus der Klassik, teils aus dem Jazz, und so bewegt sich die Musik dann auch zwischen diesen sehr gegensätzlichen Welten. Daß dies gut funktioniert, zeigen bereits die Hörproben auf der Webseite des Kaleidoscope String Quartett mit ihrer großen Bandbreite zwischen ruhigen melodischen und wilden Klängen. Mich machen die Beispiele neugierig, die Musik live zu hören.

Bitte beachtet die geänderte Anfangszeit: Ab dem Novembertermin beginnt Jazz in der Kammer bereits eine Stunde früher, um 20 Uhr.

Montag, 15. Oktober 2012

Spendel und Lakatos

Christoph Spendel – Klavier
Tony Lakatos – Saxophon

Spendel und Lakatos begannen mit ihrem Titel "Casa grande", und in der Tat stellte sich bereits der Anfang als ein großes Haus voller Musik dar, als eine Mischung aus Jazz, Swing, Ragtime und Blues. Auch in den folgenden Titeln spielten sich Spendel und Lakatos gegenseitig Melodien zu und orientierten sich dabei neben Eigenkompositionen auch an Standards. Letzteres könnte leicht auch zu sanfter Hintergrundmusik führen – nicht so bei den beiden Musikern. An der Intensität des Spiels merkte man die Professionalität ebenso wie die Kreativität. Scheinbar mühelos fliegen Spendels Finger über die Tasten, perlen die Töne aus dem Flügel. Lakatos nimmt die Töne auf und läßt sein Saxophon ebenso schnell erklingen. Mal erklingen kräftige Klaviertöne, dann wieder überläßt Spendel Lakatos die Führung und begleitet ihn nur leicht und gefühlvoll.
Bei den Eigenkompositionen bleibt auch der musikalische Witz nicht aus, so beim (nun schon etwas älteren) Y2K-Blues, der am Schluß unvermittelt und abrupt endet. Inspiriert von den Ende 1999 kursierenden Szenarien, die den Zusammenbruch vieler Computersysteme befürchten ließen.
In der zweiten Hälfte des Abends erklangen auch Titel aus dem "Great American Songbook". Schöne und kräftige Improvisationen der beiden lassen auch altbekannte Klassiker wie zum Beispiel Cole Porters "Night and Day" frisch und neu erklingen. "Autum Leafs" als Zugabe paßte zum beginnenden Herbst.

Dienstag, 9. Oktober 2012

Vorschau Oktober

Schon wieder rückt der nächste Jazz-Termin heran – der monatliche Rhythmus zeigt, wie rasch doch die Zeit vergeht. In diesem Monat steht am 15. Oktober um 21 Uhr ein interessantes Duo auf der Bühne:
Tony Lakatos – Saxophon
Christoph Spendel – Klavier

Ein ungarischer Saxophonist aus einer Gypsy-Musikerfamilie, der in vielen Besetzungen teils Gypsy Musik und teils Bigband spielte, und ein deutscher Pianist, der sich in allen Jazz-Stilen zu Hause fühlt. Zumindest versprechen bereits die Biograhien der beiden Musiker eine interessante Mischung. Was genau uns am 15. Oktober erwartet, war im Netz noch nicht zu erfahren. An den üblichen Stellen waren noch keine Soundschnipsel zu finden. Dabei muß ich mal wieder feststellen, wie bequem man doch in Zeiten von Youtube, myspace & Co. wird: man verläßt sich nur zu leicht darauf, daß alles nur einen Mausklick entfernt liegt. Wenn ich vorher noch etwas erfahre, lasse ich es die Leser des Blogs wissen. Eines steht jedenfalls schon fest: Warnfried Altmann sorgte mit seiner Auswahl von Musikern bisher immer für sehr interessante musikalische Begegnungen. Und so freue ich mich bereits heute schon auf kommende Woche, wenn es wieder heißt: Willkommen zu Jazz in der Kammer.

Nachtrag vom 11. Oktober:
Warnfried Altmann schrieb über Spendel und Lakatos: Mit Christoph Spendel bin ich seit den Anfängen von Jazz in der Kammer 1990 verbunden, nun ist er nach vielen Jahren mal wieder in Magdeburg. Auch den Ungarn Tony Lakatos hatten wir schon vor einiger Zeit als Sideman der Masha-Bijlsma-Band im Schauspielhaus zu Gast. Nun die beiden Giganten im Duo zu erleben, darauf freue ich mich riesig und hoffe, daß viele von euch das auch erleben können.

Citycard

Es war eine gute Entscheidung der Marketing-Abteilung des Theaters, eine Citycard für Jazz in der Kammer aufzulegen und in Magdeburg verteilen zu lassen. Vielleicht läßt sich der/die eine oder andere durch das Kreuz bei "Ich geh hin. Kommst Du mit?" neugierig machen. Der Jazzreihe wären ein paar neue Zuschauer zu wünschen – und Musikinteressierte kommen hier mit frischer, neuer Musik abseits des Mainstreams auf ihre Kosten.

Montag, 17. September 2012

1000 – Played

1000, das sind die vier Musiker
Jan Klare (D) – Saxophone
Bart Maris (B) – Trompete
Wilbert de Joode (NL) – Bass
Michael Vatcher (US, NL) – Schlagzeug
Michael Vatcher, Wilbert de Joode, Jan Klare, Bart Maris

Ein Jazz-Quartett, das sowohl die lauten und schrillen Jazz-Töne beherrschte als auch die ganz leisen und melodischen. Oft lagen dabei die Extreme dicht beieinander, wenn beispielsweise auf Freejazz ein Stück Gregorianik aus dem 11. Jahrhundert folgte – bei dem die auf Wassergläsern gespielten Melodien leise und zart hervorklangen und von Saxophon und Trompete ebenso leise aufgenommen und dabei verfremdet wurden, ohne den harmonischen Eindruck zu stören. Gleich darauf konnte man Jazz-Standards hören, bei denen sich die Musiker wieder in wilde Rhytmen hineinsteigern konnte. Dieser Wechsel zwischen den Stilrichtungen, die musikalischen Brüche machte das Konzert interessant und abwechslungsreich. Klare und Maris spielten hervorragend aufeinander eingestimmt auf den doch grundverschiedenen Blechblasinstrumenten, bei de Joode war interessant zu erleben, welche Töne er seinem Baß entlocken konnte. Das Publikum, das selbstverständlich seine Zugabe bekam, hätte sicher gern noch viel viel mehr davon gehört.

Donnerstag, 13. September 2012

Vorschau September

Am 17. September beginnt die Spielzeit 2012/13 von Jazz in der Kammer mit einem Projekt von Jan Klare unter dem Titel played 1000.

Jan Klare (D) – Saxophone
Bart Maris (B) – Trompete
Wilbert de Joode (NL) – Bass
Michael Vatcher (US, NL) – Schlagzeug

Die Zahl 1000 im Titel des Bandprojektes steht nach Aussagen der Band nur für sich selbst, als "eine große Zahl". Aus der eigenen Beschreibung auf der Bandwebseite:
Das Quartett, bestehend aus dem "Rythmus -Dream-Team" de Joode/ Vatcher und den (musikalischen) "Zwillingen" Maris/ Klare, ist in der improvisierten Musik beheimatet, beschäftigt sich aber eingehend mit Kompositionen von u.a. Klare, Ravel, Pergolesi. Eine telepathisch unterlegte, eigene Klangsprache und Kommunikationsstrategie hat sich im Laufe vieler Konzerte kristallisiert und ist auf 3 CDs dokumentiert. Bei "1000" gehen Komposition und ihre improvisatorische Weiterentwicklung Hand in Hand, die Band schafft es meisterlich, einer gerade aufkeimenden Idee durch ein Higgs Teilchen Masse zu geben und ins komponierte Universum zu überführen. Das Repertoire ist komplex, doch niemals statisch – die Musik bleibt immer handfest.

In den Musikbeispielen im Netz hört man Musik vor allem aus dem Bereich des improvisierten Jazz, viel experimentelles, daneben aber auch ein spielerischer Umgang mit Jazzstandards. Man darf also gespannt sein und bereits jetzt wünsche ich uns, die Musiker und den Organisator eingeschlossen, einen schönen und musikalisch interessanten Auftakt der neuen Saison.

Montag, 10. September 2012

Vorschau 2012/13

Wer sich beim Durchschauen der Liste der Jazz-Konzerte in der Saison 2012/13 verwundert fragt, "hier fehlt doch was", dem sei ein "ja, leider" geantwortet.

Bereits zum Ende der zurückliegenden Saison von "Jazz in der Kammer" wies Warnfried Altmann darauf hin, daß das Geld in der kommenden Spielzeit nur noch für neun statt bisher zehn Konzerte reicht. Die Sommerpause dauert nun also drei statt bisher zwei Monate. Ärgerlich, aber anscheinend war nicht mehr rauszuholen. Immerhin wirkten sich die Kürzungen weit weniger stark aus als zuvor befürchtet (zeitweise war von einer Kürzung auf vier Konzerte die Rede). Also schauen wir mit Zuversicht nach vorn, freuen wir uns auf das Kommende. Als da wäre:

Montag, 17.09.12, 21.00 Uhr
played 1000
Jan Klare – Saxophone
Bart Maris – Trompete
Wilbert de Joode – Bass
Michael Vatcher – Schlagzeug

Montag, 15.10.12, 21.00 Uhr
JazzXClamation
Kathrin Lemke – Saxophon
Niko Meinhold – Klavier
Mike Majkowski – Bass
Tobi Backhaus – Schlagzeug

Montag, 19.11.12, 20.00 Uhr
Kaleidoscope String Quartett (Schweiz)
Simon Heggendorn – Violine
Ronny Spiegel – Violine
David Schnee – Viola
Bruno Fischer – Violoncello

Montag, 17.12.12, 20.00 Uhr
Fo(u)r Alto – mikrotonale Musik für 4 Altsaxophone
Frank Gratkowski – Altsaxophon, Komp.
Christian Weidner – Altsaxophon
Benjamin Weidekamp – Altsaxophon
Florian Bergmann – Altsaxophon

Montag, 21.01.13, 20.00 Uhr
Gilbert Paeffgen Trio
Werner Hasler – Trompete
Christopher Dell – Vibraphon
Gilbert Paeffgen – Drums

Montag, 18.02.13, 20.00 Uhr
Basement Research
Gebhard Ulmann – Saxophon, Bassklarinette
Steve Swell – Posaune
Julian Argüelles – Bariton- und Sopransaxophon
John Hebert – Bass
Gerald Cleaver – Schlagzeug

Montag, 18.03.13, 20.00 Uhr
Ronny Graupes Spoom
Ronny Graupe – Gitarre
Jonas Westergaard – Bass
Christian Lillinger – Schlagzeug

Montag, 15.04.13, 20.00 Uhr
Dudek/Wunsch
Frank Wunsch – Piano
Gerd Dudek – Saxophon

Montag, 20.05.13, 20.00 Uhr
Benedikt Jahnel Trio
Benedikt Jahnel – Saxophon
Jonas Burgwinkel – Schlagzeug
Matthias Pichler – Bass

Wenn ich mir die Liste so anschaue, dann sehe ich darin einige der Magdeburger Jazzgemeinde bereits vertraute Namen. Ich freue mich darauf, diese Leute mit ihren neuen Programmen wiederzusehen, und bin neugierig auf die mir noch unbekannten. Vorab eine Wertung der kommenden Konzerte vorzunehmen wäre vermessen. Deshalb nur ein paar Gedanken dazu: In diesem Jahr setzt Warnfried Altmann wieder ganz auf instrumentale Musik, aber vielleicht gibt es ja in der folgenden Spielzeit auch mal wieder Gesang im Programm. Das Dezemberkonzert mit vier Saxophonen wird wohl Warnfrieds Weihnachtsgeschenk sein, daß er sich als begeistertem Saxophonisten selbst macht (man mag spekulieren, ob sich vielleicht noch eine Jam-Session anschließen wird). Auf das Konzert des mir bisher völlig unbekannten Kaleidoscope String Quartetts freue ich mich persönlich ganz besonders, allein schon wegen der für den Jazz äußerst ungewöhnlichen Besetzung, die nach einigen eben gehörten Internet-Hörbeispielen ungeahnte, harmonische Klänge verspricht.

Montag, 18. Juni 2012

Pata on the Cadillac

Norbert Stein kam mit seinem aktuellen Projekt "Pata on the Cadillac" nach Magdeburg, in der Besetzung:
Norbert Stein — Tenorsaxophon, Komposition
Michael Heupel — Flöten
Nicolao Valiensi — Euphonium
Ryan Carniaux — Trompete
Georg Wissel — Altsaxophon
Albrecht Maurer — Violine
Joscha Oetz — Kontrabass
Christoph Haberer — Schlagzeug


Norbert Stein war mit seinen Pata Masters nun schon zum vierten Mal zu Gast bei Jazz in der Kammer, wie immer in relativ großer Besetzung. Das Konzert begann mit Anklängen an französische Kammermusik, Dissonanzen wechselten mit Flötentönen wie aus Debussys Nachmittag eines Fauns, die Violinmelodien heben sich zart empor, ein plötzliches wildes Durcheinander wie beim Stimmen eines Orchesters findet wieder zu einer gemeinsamen Melodie zurück.

Norbert Stein beschreibt den Hintergrund der Musik mit kurzen Texten, teils auch mit philosophischem Hintergrund. So wie bei Drifting: "Die Dinge kommen, sind da, und gehen auch wieder". Musikalisch ist es ein Bläsersatz, der die Trompete unterstützt. Die Töne entwickeln sich zu einem Furioso nahe der Schmerzgrenze, Steins Saxophon gleich einem Nebelhorn vorneweg, um dann die Bläser untereinander lustig schnattern zu lassen.

Bei Cat Walk steckt Schrödingers Katze hinter dem Titel. Ja, genau die aus der Physik, die in der Kiste mit dem zerfallenden Atomkern und dem giftigen Gas zugleich tot und lebendig ist. Was ist hier der Zusammenhang zur Musik? Vielleicht, daß sich erst beim hören entscheidet, ob die Musik harmonisch oder wild ist – oder vielleicht auch beides gleichzeitig.

Oder bei All is no thing, das als Wortspiel auch als All is nothing zu lesen ist. Die Musik fängt in harmonischem Zusammenspiel von Saxophon und Flöte an, die Melodie wird von der Violine aufgenommen und allmählich divergieren die Melodien irgendwo zwischen Kammermusik und Eisler, teils mit lautmalerischen Tönen.Und wem das zu durcheinander vorkam, der sei an noch viel ältere Musik erinnert – die Instrumente schnattern, quaken oder bellen lassen konnte auch schon Georg Philipp Telemann.

Man mußte sich schon wirklich einlassen auf Norbert Steins improvisierte Musik mit philosophischem Hintergrund, dann aber konnte man seinen Spaß dabei haben. Die verrückten Musiktitel geben dem Hörer zumindest Anhaltspunkte für eigene Assoziationen und Interpretationen. So ist dann The Gap eben "die Lücke zwischen zwei Gedanken". Die Stein unversehens mit Musik füllt.