Montag, 21. Dezember 2015

Hub Hildenbrand und Trio Rosenrot

Heute waren beim Jazz-Konzert im Schauspielhaus zu Gast:
Hub Hildenbrand – Gitarre
Dana Hoffmann – Gesang
Denis Stilke – Schlagzeug
Die beiden Sets waren unterschiedlich besetzt, zu Beginn Hub Hildenbrand solo, nach der Pause dann das Trio Rosenrot – deutsche Volkslieder neu gehört, mit Hub Hildenbrand, Dana Hoffmann und Denis Stilke.

Hub Hildenbrand

Zu Beginn Hub Hildenbrands Solo-Konzert: Konzentriert und tief in seine Musik versunken sitzt er auf der Bühne, spielt orientalisch inspirierte Klänge mit exaktem Anschlag und zugleich auch einer selbstverständlichen Leichtigkeit. Seiner halbakustischen Gibson-Gitarre entlockt er Töne, die mal einem akustischen Wasserfall gleich perlen und fließen, mal laut und basslastig sind. Diese große Klangvielfalt ist es wohl, die ihn vor einigen Jahren das elektronisch verstärkte Instrument wählen ließ.

Im Titel des ersten Stücks, dem "Garden of sounds" steckt auch etwas von Hub Hildenbrands Programm: in seiner Musik will er Klänge unterschiedlicher Regionen verbinden, Musik die er überall auf der Welt hört und sammelt. "Es gibt nur eine Musik, nur einen Musik-Kosmos", sagte er später über den Hintergrund seiner musikalischen Ideen.

In seinem Konzert, das er auch als Streifzug quer durch seine bisherigen Bands und Projekte sieht,  lädt Hildenbrand zu einer musikalischen Weltreise, durch eine Welt, deren Mittelpunkt sich irgendwo viel weiter südlich und östlich befinden muß, die aber ebenso auch die Musik des kalten Nordens umfasst. Bei aller Dynamik von Hildenbrands Gitarrenspiel blieb seine Musik immer harmonisch, so machte es Freude, mit geschlossenen Augen zu träumen und zu lauschen, in welche Weltgegend man mitgenommen wurde.

Das Trio Rosenrot, eines der Projekte von Hub Hildenbrand, brachte die Musik seiner CD "Lenz" auf die Bühne. Hildenbrand arrangierte darin alte deutsche Volkslieder neu und steht damit in einer Reihe ähnlicher Projekte, die die Volksmusik als lebendige Musik begreifen und sie nicht den Schlagersendern überlassen wollen. Sängerin Dana Hoffman sagte zu der Neuinterpretation, daß "die Volkslieder schon immer mündlich weitergegeben und in einer Art 'stiller Post' auch verändert" wurden.

Hub Hildenbrand, Dana Hoffmann, Denis Stilke

Dana Hoffmann setzte mit ihrer einfühlsamen und ausdrucksstarken Stimme einen deutlichen Gegenpol zu den Instrumenten. Besonders beeindrucken dabei die dramatischen Stücke des Programms. Etwa das "Es geht ein dunkle Wolk herein", in dem die Sängerin laut und klagend vom Schmerz des Abschieds singt und von Hub Hildenbrands Gitarre und vor allem von Denis Stilkes Schlagzeug in sehr kräftigen Tönen begleitet wird, was eine außerordentlich düstere Stimmung ergibt. Andere Stücke wie das "Du, du liegst mir im Herzen" kamen deutlich weicher daher, bekamen allerdings durch die jazzige Instrumentierung einen beinahe ironischen Ton, der etwas von der Ambivalenz der Volksmusik aufnahm.

Dem "Ich hab die Nacht geträumet" stellte Dana Hoffmann Auszüge aus hundert Jahre alten Feldpostbriefen des ersten Weltkriegs voran, die dem Lied von Liebe und Tod etwas von mystischer Vorbestimmung gaben. "In vielen der Volkslieder steckt so viel existenzielles", sagt Dana Hoffmann dazu. Hub Hildenbrand ergänzt zu seiner Zusammenstellung der Titel "natürlich sollten es nicht nur die tragischen Lieder sein, deshalb gibt es im Programm ebenso die fröhlichen Töne. Das deutsche Volkslied ist nicht nur schwermütig".  

Das Programm ging mit "Der Mond ist aufgegangen" zu Ende, nach den Worten der Sängerin einem der schönsten Volkslieder. Für mich war es eine Freude, die altbekannten Lieder in anderer, neuer Form zu hören.


Samstag, 19. Dezember 2015

Vorschau Dezember

Am kommenden Montag (21.12., 20 Uhr) ist es schon wieder so weit: Zeit für das nächste Jazz-Konzert im Schauspielhaus:
Hub Hildenbrand solo (1. Teil) und
Trio Rosenrot – deutsche Volkslieder neu gehört (2. Teil), mit
Hub Hildenbrand – Gitarre
Dana Hoffmann – Gesang
Denis Stilke – Schlagzeug
Die beiden Sets des Konzertes werden ganz unterschiedlichen Musikstilen gehören. In der ersten Hälfte des Abends steht der Berliner Gitarrist Hub Hildenbrand solo auf der Bühne. Uns erwarten klare und eindrückliche Klänge auf seiner Gibson Halbakkustik-Gitarre, die von indischer und orientalischer Musik geprägt sind.

Im Anschluß kommen Dana Hoffmann (voc) und Denis Stilke (dr) hinzu. Zusammen haben Sie sich als "Trio Rosenrot" von alten deutschen Volkslieder begeistern lassen, die sie neu interpretiert haben. Und das auf eine sehr interessante, kräftige Art, wie das bei Soundcloud veröffentlichte Hörbeispiel des Trio Rosenrot zeigt.


Über sein Konzert mit dem Trio Rosenrot schreibt Hub Hildenbrand: 
Die Königskinder erwachen wieder zu neuem Leben.
Kein schöner Land streift sich die braune Farbe ab.
Nun will der Lenz uns grüßen!
Lassen Sie sich von der Musik begeistern und kommen Sie zu einem Konzert, dass sowohl den Trubel der Weihnachtszeit als auch das allgegenwärtige Dudeln von weihnachtlichen Klängen vergessen lassen wird!

Montag, 16. November 2015

Fjord-Trio

Heute war das deutsch-norwegische Fjord-Trio zu Gast bei Jazz! im Schauspielhaus.
Susan Weinert – Gitarre
TorunEriksen – Gesang
Martin Weinert – Baß

Diesmal stand seit längerem wieder ein Jazz-Konzert mit Gesang auf dem Programm. Und was für eines! Die norwegische Sängerin Torun Eriksen mit  ihrer bezaubernden, sanften und doch eindrücklichen Stimme wurde von der virtuosen Gitarristin Susan Weinert und dem Bassisten Martin Weinert begleitet.

Ein Konzert der überwiegend leisen Töne und zarten Klänge, beginnend mit dem leisen Klickern von Kieselsteinen am Strand und dem Rauschen des Windes – "on the beach" kam wie eine Erinnerung an warme Sommertage daher, wohltuend bei dem Schmuddelwetter draußen. Ein Lied von warmem Sand und Wind im Haar. Torun Eriksen singt dieses und andere Lieder der neuen CD zart hingehaucht, voller Gefühl. "Alles ist so, wie es sein sollte" heißt es, und besser kann man das Sommergefühl wohl kaum beschreiben und besingen.

Martin Weinert, der auch als Moderator durch das Programm führte, berichtet von der Entstehung der Musik, vom Zusammentreffen von Torun Eriksen und Susann Weinert beim Jazzfestival im norwegischen Christiansand. Beide dort als Leiterin von Kursen, für Gesang die eine, für Gitarre die andere. Zwei Musikerinnen, die sich trafen und auf Anhieb die Musik der anderen verstanden. "Wir spielen hier in Deutschland viel zu viele Noten", soll Susann Weinert über die aus Norwegen mitgebrachten Eindrücke gesagt haben, "dort gibt es viel mehr Ausdruck in der Stimme". Diese Erlebnisse führten zur CD der drei Musiker, für die Susan Weinert die meisten Stücke schrieb, Lieder wie speziell für Torun Eriksen geschaffen. So auch das Titelstück der CD "Fjord", das den Text vor dem inneren Auge lebendig werden läßt: Bilder einer stillen Landschaft stellen sich ein, Sonne die durch den Dunst scheint, ein Boot auf dem Wasser. Wenn Torun Eriksen sagt, beide Musikerinnen haben "the same type of energy, but diffent kind of music", dann haben sich die beiden auf ihrer gemeinsamen CD jede mit ihrer eigenen Art genau in ihrer musikalischen Mitte getroffen. Aus dieser Erinnerung an das erste Zusammentreffen wurde "Where all things start".

Zugleich ist es das Album auch ein Zeichen der (nicht nur musikalischen) Verbundenheit von Martin und Susan Weinert, die nicht nur musikalisch ein Paar sind und seit über 30 Jahren gemeinsam auf der Bühne stehen. So waren auch Kompositionen von Martin Weinert zu hören, wie das an algerische Klänge erinnernde "Tanz der Schmetterlinge", beginnend mit einem mit dem Bogen nur angetupften Bass, dem damit Töne wie aus einer nordafrikanischen Laute entlockt wurden. Als dann Susann Weinerts Gitarre einsetzt, entwickelt sich ein sehr harmonisches Zusammenspiel von virtuoser Gitarre und in harmonischem Gleichklang folgendem Baß.

Zum Abschluss gab es ein Weihnachtslied von Torun Eriksen. In "Verden Omkring", der  Interpretation eines Liedes von Trond Brænne und Geir Holmsen, singt sie von den Vögeln, die draußen vor dem Fenster Körner picken, von der Familie am gedeckten Weihnachtstisch und von denen, die gar nichts haben – und davon, daß alle vor allem eines wollen: Frieden.

Ein eindrucksvolles und gefühlvolles Konzert, über das eine begeisterte Besucherin sagte: "einfach zu schön...".


Montag, 19. Oktober 2015

Dreieck – Vierseitig

Das heutige 250. Konzert nahm Warnfried Altmann zum Anlass, auch selbst einmal wieder auf der heimatlichen Bühne zu stehen. Zum Konzert hatte er mit Andreas Willers und Willi Kellers zwei Musiker mitgebracht, die in unterschiedlichen Projekten auch in Magdeburg bereits spielten und nun als Trio ihre Leidenschaft für die improvisierte Musik auf die Bühne bringen konnten.
Andreas Willers – Gitarre
Warnfried Altmann – Saxophon
Willi Kellers – Percussion
Andreas Willers, Warnfried Altmann, Willi Kellers

Das Konzert beginnt mit zunächst leisen Klängen von Gitarre, Saxophon und Flöte, in Terzen und Quinten variiert, harmonisch anfangs, dann immer kräftiger werdend, zu einem Inferno an Tönen anwachsend, als sich die Musiker warm gespielt haben und dazu auch noch das Schlagzeug einsetzt. Warnfried Altmanns Saxophon einem Schiffshorn gleich den Magdeburger Nebel durchdringend, dazu wilde Kontrapunkte von Andreas Willers' elektrischer Gitarre und Willi Kellers erfindet dazu einen Rhythmus an seinen Drums. An den lautesten Stellen konnte man sich unter die läutenden Glocken einer Kirche versetzt fühle, solch ein Hinundher an Klängen kam von der Bühne ins Publikum, solch Dröhnen erfüllte den Raum, wild und doch geordnet.
Ähnlich kontrastreich ging es weiter, wenn die Musiker erst ruhige, indisch anmutende Klänge anstimmten, dann aber Altmann auf seinem Sopransaxophon die Kavalerie zum Angriff rief (für die hundert Pferde sorgte Kellers am Schlagzeug). Die teils harten metallischen Töne von E-Gitarre und E-Bass bildeten einen Kontrast vor allem zum warmen Ton des Saxophons. Einmal aber auch in merkwürdiger Übereinstimmung, als Saxophon und E-Bass zu einer unheilvoll auf- und abschwellenden Sirene wurden.

Nach der Pause zwischen den beiden Sets (die die Musiker ansonsten ohne Unterbrechung durchspielten) eröffnete Willers mit zwei Solostücken, bei denen er die Gitarre beinahe wie eine akustische klingen ließ. Danach aber wieder Improvisationen der Musiker, die dann jeder für sich ein Experimentator sind und doch immer wieder zu gemeinsamen Passagen zusammenfinden. Etwa wenn Altmann sein Saxophon quaken und fiepen läßt, Willers spacige Elektrotöne hinzufügt, Kellers alles mit einem wilden Rhythmus unterlegt und die Musik zum Klang einer Großstadt in der Rush-hour anschwillt. Plötzlich wieder Ruhe, von Gitarre und Schlagzeug kommen Töne als ließen Aboriginees ihre Schwirrhölzer kreisen, dazu Altmann als musikalischer Europäer im Urwald. Ein Durcheinander, wild und fröhlich.

In weiten Teilen ist die Band genau dort, was Warnfried Altmann als Grundlage der Magdeburger Jazzreihe beschrieb, der improvisierten Musik, dem Experiment, dem Ausprobieren was geht. Und so gibt es als Zugabe nochmal einen Rausch der Töne, nichts für zarte Ohren und doch (oder gerade deswegen!) eine große Lust dabei, beim Hören die Augen zu schließen und sich ganz in diesen Kosmos der Töne fallen zu lassen. Großartig!

Zwei Blasinstrumente
Drei Arten, eine Gitarre zu spielen



Jubiläumskonzert

Jazz in der Kammer gibt es jetzt seit 25 Jahren und das heutige Konzert war dann auch schon das 250. Ein schöner Anlaß für Warnfried Altmann, auf die letzten 25 Jahre Jazz im Magdeburger Schauspielhaus zurückzublicken.


Ein wenig kommt er bei diesem Rückblick ins Stolpern, als er das Publikum versehentlich bei "Jazz in der Kammer" begrüßt. Kein Wunder, denn diesen Namen trug die dienstäteste Magdeburger Jazzreihe über lange Jahre hinweg. Benannt war sie nach den Freien Kammerspielen Magdeburg, wie das jetzige Schauspielhaus ab 1990 hieß. Aber auch bereits früher, das muß bereits in den 70er Jahren gewesen sein, gab es eine Jazzreihe in den damaligen Kammerspielen, auch bereits als "Jazz in der Kammer". Mit Konzerten voller improvisierter und freier Musik, wie sich Warnfried Altmann erinnerte.
Nach einer Unterbrechung wurde dann 1990 Jazz in der Kammer neu gegründet. Zu dieser Zeit war Wolf Bunge Intendant der Freien Kammerspiele. Und der wollte, daß seine Schauspieler Montags frei hatten. So war am Montag die Bühne frei für andere Veranstaltungen – im wöchentlichen Wechsel gab es Neue Musik und E-Musik, Tanz, Jazz und Kino. Wolf Bunge fragte Warnfried Altmann, ob dieser nicht die Zusammenstellung der Jazz-Reihe übernehmen wolle. Der wollte – und das war dann der Begin einer schönen Tradition. Der Rest ist schnell erzählt: von den Montagsterminen blieb lediglich der monatliche Jazzabend bis heute erhalten und überlebte alle inzwischen erfolgten Intendantenwechsel. Auch dank des immer vorhandenen Publikums, das vehement den Erhalt von Jazz in der Kammer einforderte, als vor einigen Jahren die Reihe auf nur noch ein Konzert im Quartal zusammengestrichen werden sollte. So waren Altmanns Schlußworte vor der eigentlichen Anmoderation der heutigen Band auch dem Dank an das Publikum vorbehalten. Dieses rief er auch dazu auf, die Konzerttermine weiterzusagen und gern auch immer ein paar neue Zuhörer mitzubringen.

Nach dem silbernen Jubiläum ist nun beste Gelegenheit, der Reihe weiter viele schöne und interessante Konzerte zu wünschen. Also: Weiter so, mindestens bis zum goldenen Jubiläum!

Montag, 12. Oktober 2015

Vorschau 2015/16

Der Oktober ist gekommen und mit ihm startet auch die neue Saison von Jazz im Schauspielhaus. Auf die Postkarten der Jazzreihe hat der Designer mit seinem Lichtpinsel diesmal eine Gitarre an den Himmel über dem Schauspielhaus gemalt. Passenderweise, denn die Gitarre ist das Instrument der diesjährigen Saison, das in jedem der Konzerte in irgendeiner Form vorkommt.

19.10.15 Dreieck Vierseitig (Konzert Nr. 250 der Magdeburger Jazzreihe!)
Andreas Willers – Gitarre
Warnfried Altmann – Saxophon
Willi Kellers – Percussion

16.11.15 Fjord-Trio (Dtl., Norwegen)
Susan Weinert – Gitarre
TorunErikson – Gesang
Martin Weinert – Bass

21.12.15 Trio Rosenrot
Hub Hildenbrand – Gitarre
Dana Hoffmann – Gesang
Denis Stilke – Schlagzeug


18.01.16 Wood&Steel Trio 
Christian Kögel – Dobro SteelGuitar
Roland Neffe – Marimba/Vibraphon
Marc Muellbauer – Bass

15.02.16 Metal, Wood & Wire – extended (USA, Italien, Dtl.)
Geoff Goodman – Gitarre, Loops, Banjo
Ardhi Engl – Gitarre, div. Eigenbauinstrumente
Sebi Tramontana – Posaune
Bill Elgart – Schlagzeug


21.03.16
Juozas Milasius – Gitarre,
Sabir Mateen – Saxophon, Flöte
(Litauen, USA)

18.04.16 Vater und Sohn (Schweden)
Ulf Wakenius – Gitarre
EricWakenius – Gitarre 

16.05.16 Gitarre-Projekt (Krim)
Enver Izmailov 

20.06.16 Field (Dtl., Dänemark)
Ronny Graupe – Gitarre
UliKempendorff – Saxophon
Jonas Westergaard – Bass
Oliver Steidle– Schlagzeug


Montag, 15. Juni 2015

1000

Heute stand die Band 1000 (D, Belgien, NL, USA) auf der Jazz-Bühne im Magdeburger Schauspielhaus:
Jan Klare – Saxophon
Bart Maris – Trompete
Wilbert de Joode – Bass
Michael Vatcher – Schlagzeug


Mit dem Konzert von "1000" geht die der Trompete gewidmete Konzertsaison von "Jazz im Schauspielhaus" zu Ende – ab Oktober geht es wieder jeden dritten Montag weiter, dann mit der Gitarre als das alle Konzerte thematisch verbindende Instrument. Passend zum letzten Konzert der Saison stellte Jan Klare auch gleich seinen Trompeter mit den Worten vor: "Unsere Eintrittskarte ist Bart Maris".  

Wer "1000" noch vom letzten Magdeburger Konzert vor drei Jahren in Erinnerung hat, der hat vielleicht noch eine Vorstellung von der Wandelbarkeit der Musik. Darin finden sich unterschiedlichste Stilrichtungen, mal Jazz-Standards, mal freie Improvisation, bei der sich jeder der Musiker scheinbar selbst seine eigene Stimme sucht, und mal ist auch Richard Wagner herauszuhören.

All das nicht etwa fein säuberlich sortiert, sondern innerhalb der Stücke oft ineinander übergehend. Gleich beim ersten Stück, "Skywalk", werden aus scheinbarem Chaos zum Schluß ganz sanfte Melodien. So geht es dann auch weiter, etwa mit "Bop", mit Jazz-Standards und kräftigen Rythmen von Michael Vatcher am Schagzeug und Wilbert de Joode am Bass gespielt. Jan Klare und Bart Maris klingen zunächst völlig dissonant, auf der Suche nach einer gemeinsamen Melodie, die die beiden musikalischen Zwillinge (wie sie sich auf der Bandwebseite bezeichnen) dann am Ende auch finden. Zuvor wird die Musik der Band immer wilder.

Kurz darauf, bei "Loose ist" wird die Musik langsamer und düsterer, wenngleich nicht weniger laut, vielleicht an eine mexikanische Begräbniskapelle erinnernd. Trotz der Lautstärke aber deutlich und ruhig. Daß Jan Klare trotz der oft lauten Musik auch die Stille mag, wird deutlich, wenn etwa bei "Baccara" aus dem Spiel der vier Instrumentalisten ein dB-reiches Grundgeräusch entsteht, das urplötzlich abbricht – und in die Stille hinein de Jode mit nur noch ganz leisen Tönen zu hören ist, mit dem Bogen die Saiten nur leicht antupfend. Vatcher fügt mit kleinen Holzklangstäben einen geheimnisvollen Rhytmus hinzu, der irgendwo aus Afrika her stammen könnte. Der darauf einsetzende Bläsersatz von Klare und Maris dann französisch inspiriert, oder waren es Klänge inspiriert von Cajun aus den Sümpfen Louisianas? Hörenswerte Musik.

Vor allem Bassist Wilbert der Joode sieht man die Kraft an, die in der Musik steckt. Wenn er den Baß wie eine Gitarre anschlägt, die Saiten weit über den Steg hinaus zieht und sie auf das Griffbrett knallen läßt, mit dem Bogen auf den Baß einschlägt oder ihn damit so kräftig reibend und knarzend streicht, daß das Kolophonium in leichten Wolken wegstaubt, dann kann man schon Angst bekommen. Angst um das Instrument, das man so malträtiert sieht und dessen Saiten kurz vor dem Zerreißen zu stehen scheinen. Diese Bedenken mag de Joode nicht teilen. "Der Baß stammt aus dem Jahr 1840", sagt er in der Pause, "der hat schon viel mitgemacht und hält das aus".

Daß sich die Musik der Band jenseits von musikalischen Konventionen bewegt, ist Jan Klare bewußt. Aber er freut sich darüber, "daß es in Magdeburg keine Berührungsängste gibt", wie er sagte. In seiner Musik will er dem Gefühl für die musikalische Form Ausdruck geben und lädt die Musiker zum musikalischen Gespräch ein: "Nicht einen Monolog, sondern einen Dialog der Kulturen", gibt er im Pausengespräch als Idee der Band an. Und erklärt auch den Namen der Band. Die entstand 2004 aus einem musikalischen Projekt in Zusammenhang mit der Bewerbung seiner Heimatstadt Münster um den Titel der Kulturhauptstadt. Damals wollte sich die Band mit der Musik der vergangenen 1000 Jahre auseinandersetzen. (Nebenbei: Münster wurde damals nicht Kulturhauptstadt, aber die Band gibt es noch immer. Und: auch Magdeburg strebt zur Zeit den Titel der Kulturhauptstadt an – und wie auch immer das ausgeht, der Magdeburger Kulturszene kann das nur gut tun).

Einen Anklang an jahrhundertealte Musik gab es nach der Pause, etwa als bei "Hymnus Organum" die Instrumente wechselten: Klare an der Querflöte und Vatcher mit einer Zither. Oder das von Ravel inspirierte "Fountain" mit perlenden (Wasser)Tönen. Ein Kontrast zum ersten Set. Mit ihrer Vielfalt der musikalischen Form und der Auseinandersetzung mit muikalischen Ideen paßte "1000" wunderbar in das Konzept der Magdeburger Jazzreihe, die die Lust am Neuen wachhalten möchte.