Dienstag, 27. Dezember 2022

Vorschau Januar: Gedenkkonzert zur Zerstörung Magdeburgs

Der Januar-Termin von Jazz in der Kammer fällt in diesem Jahr auf den 16. Januar – den Tag des Gedenkens an die Zerstörung Magdeburgs am 16. Januar 1945. 

Wie schon in vielen Jahren zuvor werden auch in diesem Jahr wieder Warnfried Altmann (Saxophon) und Hermann Naehring (Schlagwerk) musikalisch vor dem Hintergrund einer Videoinstallation mit Filmausschnitten aus deutschen und alliierten Filmaufnahmen an das "Elend des verdammten Krieges" erinnern. 


Montag, 19. Dezember 2022

Mars Williams: An Ayler X-Mas

Heute, kurz vor Weihnachten, wurde es auch auf der Magdeburger Jazzbühne weihnachtlich. Was nicht in jedem Jahr der Fall ist, denn nicht immer ergibt sich diese jahreszeitliche Übereinstimmung. Dass es keine kitschigen Weihnachts-Dudel-Klänge wurden, sondern eher bei Freunden des Free Jazz weihnachtliche Gefühle aufkamen, dafür sorgten die kräftigen Klänge der Musiker, die Mars Williams mit nach Magdeburg brachte.

Mars Williams – Arrangements, Percussion, Toy Instruments
Matthias Schubert – Saxophon
Thomas Berghammer –  Trompete
Knox Chandler – Gitarre
Christian Svendsen – Bass
Klaus Kugel –Schlagzeug

Wenige Minuten vor Beginn des Konzertes sah man Konzert-Organisator Warnfried Altmann mit einem Gitarrenverstärker durch die Gänge des Forum Gestaltung eilen. Der Verstärker von Knox Chandler funktionierte nicht, Ersatz musste her. "Ich kenne ja einige Gitarristen", sagte Altmann, "aber die muss man erst mal ans Telefon bekommen und dann müssen sie auch noch zu Hause sein". Letztlich erreichte er gerade noch rechtzeitig Jörg Rattai, fuhr quer durch Magdeburg und das Konzert konnte pünktlich beginnen. "Das Konzert sollte bereits früher stattfinden, es wurde wegen Corona zweimal verschoben, jetzt beim dritten Mal können wir es endlich hören", kündigte Warnfried Altmann die Musiker an. "Ihnen werden die Ohren ordentlich durchgepustet, ich glaube wir werden heute alle glücklich nach Hause gehen."

Dass Warnfried Altmann nicht zuviel versprochen hatte, merkte man gleich zu Beginn. Dass "Vom Himmel hoch" hinter den Improvisationen stand, war zwischen Speed Marsch und punkig-krawalligen Klängen nur zu erahnen. Aber das machte zugleich Spaß: zwischen all den kräftigen Klängen und schrägen Tönen die Strukturen und Weihnachtsmelodien (schließlich ist es ein X-Mas-Programm) herauszuhören. Das war keine bloßen Jazz-Versionen von bekannten Weihnachtsliedern, das waren echte Neuerfindungen, für die die traditionellen Melodien nur Inspiration und Stichwortgeber waren. Das Kontrastprogramm zum Fest!

Bandleader Mars Williams konnte wegen einer Verletzung nicht selbst Saxophon spielen und beschränkte sich auf Percussion und divers Spielzeuginstrumente, deren Töne immer wieder in die Musik gemischt wurden. Für das Saxophon hatte Matthias Schubert engagiert. Die kräftigen Bläsertöne von Matthias Schubert und von Thomas Berghammer an der Trompete fanden ihren Widerhall in der extremst verzerrten Gitarren von Knox Chandler, dazu der kräftige Bass von Christian Svendsen und Schlagzeug und Percussion von Klaus Kugel, der bereits einigemal in Magdeburg zu hören war.

Mittwoch, 30. November 2022

Vorschau Dezember: An Ayler Christmas

Am Montag dem 19. Dezember wird es tatsächlich mal weihnachtlich (was nicht in jeder Dezember-Ausgabe von Jazz in der Kammer der Fall ist). Mars Williams presents:

An Ayler XMas – The Music of Albert Ayler & Songs of Christmas

Mars Williams ist einer der wahren großen Saxophonspieler – jemand, der Freude am bloßen Akt des Hornblasens hat. Diese ungeheure Begeisterung ist ein wesentlicher Teil seines Klangs, und sie kommt bei jedem Spiel durch jede Note. In welcher Situation auch immer, Mars spielt aufregende Musik. In vielerlei Hinsicht ist es ihm gelungen, neu zu definieren, was Vielseitigkeit für den modernen Saxophonisten bedeutet.
(John Zorn)

Bei den denkwürdigen Konzerten seines Projektes AN AYLER XMAS verbindet Williams eine Vielzahl von Weihnachtsliedern mit dem unauslöschlichen Repertoire des Free-Jazz-Titanen Albert Ayler, der seinen in Gospel und Spirituals verwurzelten Melodien eine glühende Intensität verlieh.

Samstag, 26. November 2022

Offbeat: Schultze – Puntin

Akustische und elektronische Klangeffekte und ein phantasievolles Spiel mit Sounds standen im Mittelpunkt des heutigen Konzertes im Rahmen der Offbeat-Reihe im Gesellschaftshaus Magdeburg.  

Stefan Schultze – Klavier, Fender Rhodes Piano
Claudio Puntin – Electronics, Klarinette, Zischophon
Stefan Schultze (links) und Claudio Puntin
an ihrem riesigen Set von überwiegend rein
akustischen Instrumenten aller Art

Leise, voller Konzentration erzeugte Klänge bestimmten den Beginn des Konzertes. Zarte Klaviertöne, Gongs wie aus orientalischen Tempeln, Regenrauschen. Bei manchen dieser Klänge überlegt man, ob diese elektronischen oder akustischen Ursprung haben. Wer Stefan Schultze kennt weiß, dass er vieles auf seinem präpariertem Klavier zaubert und Claudio Puntin hat ebenfalls einiges an Equipment aufgebaut.

Montag, 21. November 2022

Cansu Tanrikulu und Gille – Ramond – Kugel

Virtuoser Sprechgesang trifft auf Jazztrio: 

Ayşe Cansu Tanrikulu – Gesang
Sebastian Gille – Saxophon
Christian Ramond – Bass
Klaus Kugel – Schlagzeug

Das Konzert beginnt mit Gesang solo. Mit wenigen Tönen, die klingen, als seien sie Volksliedern in  Cansu Tanrikulus türkischer Heimat entlehnt. Nach dem Konzert sagte sie, "ich kann mich tatsächlich in meiner Muttersprache am gefühlvollsten ausdrücken". Erst etwas später und zunächst sehr verhalten reagieren die drei Instrumentalisten. Etwas Bass hier, etwas metallisch klingendes Schlagzeug dort, dazu erst leise, dann kräftiger das Saxophon von Sebastian Gille, das er im Klang der Stimme anpasst, wenn auch in anderer Tonlage. Zwischen Saxophon und der Sängerin baut sich eine musikalische Symbiose auf, wenn Tonfolgen hin und her gehen, jeweils verwandelt zurückgespielt werden.

Sonntag, 23. Oktober 2022

Vorschau November: Leopolis Quintett

Achtung, Programmänderung!
Kurzfristig musste die Besetzung geändert werden. Am 21.11. werden

Ayşe Cansu Tanrikulu – Gesang
Sebastian Gille – Saxophon
Christian Ramond – Bass
Klaus Kugel – Schlagzeug
bei Jazz in der Kammer zu hören sein.

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Am 21. November wird bei Jazz in der Kammer das Leopolis Quintett zu hören sein:

Ulyana Horbachevska (Stimme)
Petras Vysniauskas (Sopransaxophon)
Antoni Donchev (Piano)
Christian Ramond (Kontrabass)
Klaus Kugel (Schlagzeug)

Das Projekt der ukrainischen Vokalistin Ulyana Horbachevska verknüpft nahtlos ukrainische Volkslieder mit freier Improvisation, durchläuft die Klaviatur menschlicher Ausdruckskraft, erreicht bisweilen ekstatische Höhepunkte und führt das Publikum durch faszinierende, außergewöhnlich modern und archaisch zugleich anmutende Klanglandschaften.

Hier gibt es schon mal ein Stück der Band zum Anschauen und -hören:



Montag, 17. Oktober 2022

Jacobien Vlasman Trio

Heute war in Magdeburg das Jacobien VlasmanTrio zu erleben, mit gesangsbetontem Jazz, begleitet von elektronischer Gitarre und kräftigem Acoustic-Bass.

Jacobien Vlasman (vocals, electronics, composition, arrangements)
Peter Meyer (guitar, live processing, electronics)
Miles Perkin (bass, percussion, vocals, electronics)

Jacobien Vlasman setzt mit "Strange Faces" gleich zu Beginn des Konzertes ein Zeichen, wo es musikalisch hingehen soll. Die Stimme steht dabei erkennbar im Mittelpunkt. "Strange faces hanging on the wall where I walking" singt sie und der Text ist dabei ebenso rätselhaft wie die Stimme, Sprechgesang, teils durch Soundprozessoren elektronisch verfremdet. Deutlich im Mittelpunkt bleit der Gesang aber auch, als sie im nächsten Stück sehr viel lässiger singt, den Rhytmus von Gitarre und Bass aufnehmend. "Ich stelle mir dabei irgendwas lässiges vor, vielleicht durch Texas reiten, jedenfalls etwas das völlig easy ist", sagt sie dem Publikum über diese musikalische Wendung. 

Montag, 19. September 2022

Phil Minton und Lu Hübsch

Heute ging es es nach der Sommerpause weiter mit Jazz in der Kammer, mit einem experimentierfreudigen und heftig improvisierenden Duo:

Phil Minton (Gesang)
Lu Hübsch (Tuba)

Dass da zwei tolle Improvisateure zusammenkommen, das merkt man schon zu Beginn. Lu Hübsch spielt seine Tuba, ein wahres Riesenteil, anfangs ohne Mundstück, erzeugt Töne jenseits aller Blasmusik, die mehr Geräusch und Percussion sind. Und er spielt das Instrument voller Kraft, man spürt Kraft und Intensität in jedem Ton. Dazu Phil Mintons Stimme, mit der er nicht etwa singt, sondern atmet, schnauft, zischt und pfeift, auch Ansätze von Jodeln oder leisen Sprechgesang kann man heraushören. Beides zusammen ist Phantasie pur.

Donnerstag, 23. Juni 2022

Vorschau September: Phil Minton und Lu Hübsch

 Am Montag dem 19. September geht es nach der Sommerpause weiter mit Jazz in der Kammer: 

Phil Minton (Gesang)
Lu Hübsch (Tuba)


Wieder eine interessante Kombination aus Stimme und (nur einem) Instrument. Ich bin gespannt!

Die Stimme: eine Röhre und darin schwingende Bänder.
Die Tuba: eine Röhre und daran schwingende Lippen.

Phil Minton und Carl Ludwig Hübsch sind als Improvisatoren unterwegs um Tag für Tag aufs neue den Schritt ins Unbekannte zu wagen, in eine neue Musik, die sich von selbst zusammensetzt. Derartigem Klingen liegt blindes Einverständnis der Musiker zu Grunde. Gespielt wird, was nötig ist. Die Musik ist der Chef. Und so entsteht von Augenblick zu Augenblick Feines, Wildes, Spannendes und Magisches vor den Ohren der lauschenden Hörerinnen und Hörer.

Hübsch über Hübsch:
"Meine Konzerte befassen sich mit dem Aspekt der Musik als Struktur in der Zeit.
 Der Fokus liegt auf dem Moment des Entstehens. Emphase oder Dramaturgie werden immer wieder spielend gebrochen und in neuen Impulsen fortgeführt, wobei die „Selbstbestimmtheit“ des musikalischen Laufs konstanter Bezugspunkt ist.
 Die Verwendung moderner und selbstentwickelter Spieltechniken geht weit über das verbreitete Blasmusikklischee hinaus, mit dem die Tuba immer wieder in Verbindung gebracht wird.
 Ein innovatives Klangfeld breitet sich aus, die Tuba wird aus einer neuen Perspektive dargestellt und das Publikum hört sich hören.“

Montag, 20. Juni 2022

Kira Linn und Katharina Koch

Heute gab es bei Jazz in der Kammer ein Konzert mit Stimme und Saxophon:

Katharina Koch – Gesang, Klavier
Kira Linn – Baritonsaxophon

Mit warmer sanfter Stimme interpretiert Katharina Koch Jazz-Standards und Pop-Titel, begleitet von Kira Linn an ihrem großen Bariton-Saxophon, dass sie einer eben so warmen Stimme spielt. Viele der Stücke spielen sie  in einer sehr ruhigen und melancholischen Art, Langsam und gedehnt, wie in Zeitlupe, eröffnen sich neue Sichtweisen auf bekannte Melodien, erlauben den Hörern, den Strukturen der Musik nachzuspüren, bis in die kleinsten Wechselwirkungen zwischen Stimme, Saxophon und Klavier.

Freitag, 20. Mai 2022

Vorschau Juni: Kira Linn und Katharina Koch

Am Montag dem 20. Juni um 20 Uhr gibt es bei Jazz in der Kammer ein Konzert mit Stimme und Saxophon:

Katharina Koch – Gesang
Kira Linn – Baritonsaxophon

Eine ungewöhnliche und doch – hört man in das Video rein – naheligende Kombination, Kira Linns großes Saxophon mit dem warmen Klang und dazu die zarte Stimme von Katharina Koch. Das macht neugierig. 


Aus der Ankündigung: 

Katharina Koch und Kira Linn erforschen die Möglichkeiten einer ungewöhnlichen Duo-Konstellation: Stimme und Baritonsaxophon. Die Musikerinnen kennen sich aus der gemeinsamen Zeit beim Bundesjazzorchester und haben in Köln während der Pandemie stärker zueinander gefunden. Während vielen kreativen Stunden im Proberaum haben Sie Arrangements Ihrer Lieblingsstücke erarbeitet. Die Beiden nehmen das Publikum in einer intimen Atmosphäre mit auf eine Reise durch verschiedene Musikgenres, von klassischen Jazzstandards, bis hin zu schönen Popsongs.


Montag, 16. Mai 2022

Almut Kühne und Jordina Millà

Heute kamen Improvisation mit der menschlichen Stimme und Improvisation am Klavier zusammen. Ein Programm voller Gefühl und Dynamik. 

Almut Kühne – Gesang
Jordina Millà
– Klavier

Die menschliche Stimme steht in diesem Jahr im Mittelpunkt der Konzerte. Ursprünglich hatte Almut Kühne ihr Konzert gemeinsam mit Jan Heinke geplant, der mit seinem riesigen Stahl-Cello nach Magdeburg gekommen wäre (so stand es noch im Jahresprogramm). Voll Trauer musste sie mitteilen, dass Jan Heinke an einer schweren Krankheit verstorben ist. "Morgen ist die Trauerfeier für ihn", sagte sie, "und ich darf jetzt gar nicht daran denken, sonst kann ich nicht singen". Das Konzert widmete sie dem Andenken an Jan Heinke, der ihr, wie sie sagte ein musikalischer Freund war, mit dem sie wunderbar improvisieren und sich über Musik austauschen konnte.

Leise Klaviertöne von Jordina Millà standen am Beginn des Konzertes. Als Almut Kühne zu singen beginnt, ist das eine leise Mischung aus Melodiestimme und Sprechgesang. Dabei liegt ihrem Gesang eigentlich gar kein Text zugrunde, Silben und Worte sind Mittel des Ausdrucks, der Emotion, Grundlage auch für Assoziation beim Hörer. Ihre sehr ausdrucksvolle und wandelbare Stimme, die gerade im ersten Teil des Konzertes dem Hörer ein melancholisches Gefühl spüren lässt. Eine Stimme, die auch unverstärkt durch den Raum trägt – wie man merkt, wenn sie sich singend vom Mikrophon entfernt.

Jordina Millà spielt das Klavier nicht einfach nur mit den Tasten, sie greift auch in den Körper des Instruments, streicht die Saiten an, schlägt sie mit Klanghölzern an, setzt Klangschalen aus Messing auf die Saiten. Dazu kommen einige elektronische Verfremdungen dieses an sich schon eigenartigen Klanges. Und das alles mit einer leisen Konzentriertheit, die die Ohren für jede noch so kleine Nuance schärft. 

Freitag, 29. April 2022

Vorschau Mai: Almut Kühne und Jordina Millà

Am Montag dem 16. Mai (Beginn  20 Uhr) kommen bei Jazz in der Kammer Stimme und Klavier zusammen:

Jordina Millà – Klavier
Almut Kühne – Gesang

Almut Kühne war hier bei Jazz in der Kammer bereits zu hören (im April 2015), mit traditionellem Jazzgesang ebenso wie experimentellem Sprechgesang. Mit der ebenso experimentell improvisierenden Pianistin Jordina Millà zusammen wird es ein interessanter Abend werden. 

Aus der Ankündigung: 

Die Berliner Jazzsängerin Almut Kühne hat sich stimmlich immer wieder auf die Suche nach neuen Klangfarben begeben, diese aus dem Kontext ihrer Tradition herausgelöst, um ihre ganz eigene musikalische Sprache zu entwickeln. Sie ist Solo improvisierend und als Sängerin in verschiedenen Ensembles zu erleben. Kühne komponiert und arbeitet auch an den Schnittstellen zur Bildenden Kunst, Poesie und Musiktheater.

Die klassisch ausgebildete Pianistin Jordina Millà entwickelte während ihrer Laufbahn das künstlerische Bedürfnis andere musikalische Herangehensweisen zu erkunden. Sie begegnete dem spanischen Pianisten Agustí Fernández, der sie auf die Pfade der Improvisation führte. Seitdem setzt sie ihre musikalischen Forschungen fort, auch in Verbindung mit Tanzprojekten. Heute sind frei improvisierte Musik und zeitgenössische Sprache ihre Hauptinteressen.

Sonntag, 24. April 2022

Abschluss der Jazztage und Ausblick

Die Organisatoren der Jazztage, Warnfried Altmann als künstlerischer Leiter, Norbert Pohlmann vom Forum Gestaltung und Carsten Gerth vom Gesellschaftshaus konnten heute auf vier Tage voller neuer und interessanter Musik zurückblicken. 

Warnfried Altmann (links) und Norbert Pohlmann

Die vier Tage zusammenzufassen übernahm Norbert Pohlmann. Dabei sparte er auch nicht den Vergleich zur den heutigen Wahl des Magdeburger Oberbürgermeisters aus: "Das Interesse für die Jazztage war größer als die Wahlbeteiligung" (diese lang am Beginn des Abends bei irgendwas um 30 Prozent). Und auch der Fußball, der Mageburger FCM war grad heute aus der dritten Liga aufgestiegen, wurde erwähnt, "Magdeburg ist nun wieder zweitklassig, aber die Musik hier war erstklassig". Viel wichtiger war ihm aber die verbindende Wirkung der Kunst, gerade angesichts des Krieges in der Ukraine muss die Kultur die Menschen zusammenbringen. Und so waren die Konzerte eben auch international besetzt. 

Ein großer Dank galt auch den Sponsoren, die die Konzerte ermöglichten: dem Ratswaage-Hotel Magdeburg, Lotto Sachsen-Anhalt, dem Kulturbüro der Stadt Magdeburg. Und dem ehrenamtlichen Engagement  vieler Helfer und Spender. 

Warnfried Altmann schloss sich dem an und dankte auch seinen Musikerfreunden, wie Mohi Buschendorf, der seinen Bass, und Göran Eggert und Hirschi, die ihre Schlagzeuge zur Verfügung stellten. Ebenso den beiden Mikro Lange und Wolfgang: "Jazzmusiker sind immer kompliziert, die wollen so klingen, als ob keine Tontechnik da wäre. Die beiden haben das geschafft".

Und schließlich ging der Dank an das Publikum, das nicht nur aus Magdeburg, sondern auch von viel weiter her zu den Magdeburger Jazztagen kam. Einige der Konzerte waren ausverkauft (es wurden aber noch Stühle herangeholt, so dass keiner weggeschickt werden mussste). Und ausverkauft bei voller Platzkapazität ohne dioe bisherigen coronabedingten Abstände. Dieses Interesse ist dann zugleich ein Ausblick auf die 6. Magdeburger Jazztage, die es im kommenden Jahr ganz gewiss wieder geben wird.

Christof Sänger Trio feat. Peter Weniger

Zum Abschluss der Jazztage gab es eher in Richtung old style gehenden Jazz, der gleichwohl frisch und modern daherkam: Peter Weniger mit dem Christof Sänger Trio.

Peter Weniger – Saxophon
Christof Sänger – Piano 
Rudi Engel – Bass
Heinrich Köbberling – Schlagzeug

Peter Weniger am Saxophon und das Trio des Pianisten Christoph Sänger spielen im Abschlusskonzert der Magdeburger Jazztage neben eigenen Kompositionen Musik, die mir irgendwie vertraut und doch unbekannt war. Stücke, die ich gefühlt (und mit einiger Unsicherheit) irgendwo in den 1960ern bis 70ern einordnen würde. Was den Reiz hatte, dass die Musik zwar nach Jazz-Standards klang, aber zugleich neu war. Perlende Pianoklänge, leicht schnarrendes Schlagzeug, langsamer Bass und warm tönendes Saxophon schufen ein schönes Flair. Nach den teils heftigen Klängen der vorangegangenen Tage des Festivals durfte es zum Ausklang auch etwas sanfter sein. 

Latin Rhythmen wie in Sinatras I'm a fool to want you oder in Christoph Sängers Lago azul (nicht nach dem Film, sondern nach einem Strand in Brasilien benannt) stehen für den Charakter des Abends. Sambarhythmen sind herauszuhören, am Klavier begleitet, dazu warmes Saxophon. Immer wieder gab es aber auch schnelle Soli der vier Musiker, virtuos gespielt. 

Hoppel Hoppel Rhythm Club

Inzwischen schon Tradition: bei den Jazztagen gibt es am Sonntagnachmittag ein Konzert für Kinder. Und Eltern. Und Großeltern. Diesmal auf der Bühne: der Hoppel Hoppel Rhythm Club, mit "Jazz für Kinder ab 5".

Peter Lehel – Saxophon
Peter Schindler – Piano
Mini Schulz – Kontrabass
Obi Jenne – Schlagzeug

Selbstverständlich stand auch beim Konzert für Kinder am Sonntag Nachmittag der Jazz im Mittelpunkt. Die bekannten Melodien von Kinderliedern in Jazz-Form stellten den Kontakt zu den Kindern her. Daneben gab es aber auch Jazz-Standards wie den St. Louis Blues. Und immer wieder Musik zum mitmachen. "Wo ist der Tiger – da ist der Tiger" (und dabei schnell unter den Stuhl krabbeln!), Der Kuckuck und der Esel – gesungen mit verteilten Rollen und als Kanon oder He ho, spann den Wagen an!.

Samstag, 23. April 2022

European Improvisation Saxophone Quartet

Zum Abschluss des Saxophon-Abends bei den Magdeburger Jazztagen 2022 brachten vier ältere Herren einen fetten Bläsersound auf die Bühne des Gesellschaftshauses. Das European Improvisation Saxophone Quartet mit

Gianni Gebbia – Sopransaxophon
Vytautas Labutis – Altsaxophon
Warnfried Altmann – Tenorsaxophon
Simon Rose – Baritonsaxophon
Warnfried Altmann, Gianni Gebbia,
Vytautas Labutis, Simon Rose (von links)

Die Musiker des European Improvisation Saxophone Quartet (oder auch EISQ, wie Norbert Pohlmann das Quartett in seiner Anmoderation nannte) kommen aus Italien, Litauen, Großbritannien und Deutschland. Alle vier sind gestandene Musiker, die sich musikalisch wunderbar ergänzten. 

Statt wie gewohnt aus dem Hintergrund auf die Bühne des Gesellschaftshauses zu kommen, standen sie am Beginn des Konzertes in den vier Ecken des Zuschauerbereiches, bliesen von dort einfache, klare und langdauernde Töne, den unterschiedlich großen Saxophonen, vom Sopran- bis zum großen Baritonsaxophon,  entsprechend in unterschiedlichen Tonlagen. Das Publikum mittendrin, umgeben vom sich einander überlagernden Quadrosound. So muss es auch im Inneren einer Orgel klingen! Langsam und dabei weiter spielend schreiten sie nach vorn, bis sie vorn auf der Bühne in einer Reihe stehen. 

Julia Hülsmann Quartett

Im zweiten Teil des "Saxophon"-Abends innerhalb der Magdeburger Jazztage war Julia Hülsmann Quartett zu erleben. 

Uli Kempendorff – Saxophon
Julia Hülsmann – Piano
Marc Muellbauer – Bass
Heinrich Köbberling – Schlagzeug

Das Konzert begann mit einem von Uli Kempendorff gedämpft gespielten Saxophon, mit orientalisch klingenden Rhythmen und von Julia Hülsmann in harmonischer Übereinstimmung, wenn auch zurückhaltend begleitet. Marc Muellbauers kräftig gespielter Bass kam da kräftig zur Geltung. Not from here war das erste Stück, mit dem im Titel steckenden Gefühl, "noch nicht ganz angekommen zu sein". 

Mich faszinierte das Zusammenspiel der vier Musiker, das einfühlsame aufeinander hören, bei dem ein schöner Gesamtklang entstand. Alle vier trugen mit eigenen Stücken dazu bei. Mitunter auch mit kleinen Stories dazu, die den Titeln eine eigene Bedeutungsebene gaben. Etwa "The wesp on the window" (von Marc Muellbauer), mit langem und akkuratem Bassolo . Oder Uli Kempendorffs Post Post Post, sein Saxophon wurde mit leise perlenden Klaviertönen begleitet. Von Heinrich Köbberling kam Lightcap, (nach dem amerikanischen Musiker Chris Nightcap. Seine Rhythmen wurden von den hoch- und runterlaufenden Akkorden auf Klavier und Bass begleitet. 

Roger Hanschel & String Thing Streichquartett

Den mit "Das Saxophon" überschriebenen Abend der Jazztage eröffneten Roger Hanschel und das String Thing Streichquartett

Roger Hanschel – Altsaxophon/Komposition
Nicola Kruse – Violine
Ingmar Meissner – Viola
Gunther Tiedemann – Cello
Jens Piezunka – Bass


Roger Hanschel wurde von Warnfried Altmann, dem Festival-Leiter der Jazztage, mit den Worten anmoderiert, "Roger Hanschel ist für mich einer der bedeutendsten Saxophonisten, heute könnt Ihr ihn auch als Komponist erleben." Und dies mit Stücken, die er für Saxophon und Streichensemble schrieb. Nicht für irgendein Streichensemble, sondern speziell für String Thing, "Die können nicht nur klassische spielen, die können auch grooven und improvisieren", sagte Hanschel nach dem Konzert. 

Die Musik klang zu Beginn nach irgendwo zwischen Jazz, Sinfonik und Tango, ich meinte Melodien von Chatschaturjan herauszuhören, und das alles mit einer angenehm ausgewogenen Verteilung der Stimmen zwischen Saxophon und Streicher. Vielleicht ist Kammerjazz eine passende Bezeichnung? Der Gedanke kam mir im Konzert durch die Assoziation mit Kammermusik. Jetzt, wo ich das schreibe, fällt mir auf, dass die Magdeburger Jazzreihe, in die die Jazztage eingebettet sind, passenderweise auch Jazz in der Kammer heißt. 

Freitag, 22. April 2022

Olga Amelchenko Quartett

Im zweiten Konzert des Clubabends der Magdeburger Jazztage stand Olga Amelchenko auf der Bühne des Magdeburger Forum Gestaltung. Olga Amelchenko brachte mit ihrem Quartett Musiker aus Paris (wo sie gegenwärtig lebt) und den USA mit. Zu hören war frischer Jazz, melodisch und kräftig. 

Olga Amelchenko – Altsaxophon
Alexis Valet – Vibraphon
Étienne Renard – Bass
Jesus Vega – Schlagzeug

Den Beginn des Konzertes dominierte Olga Amelchenkos kräftig und klar gespieltes Saxophon, zu dem Vibraphon, Bass und Schlagzeug eine Begleitung lieferten. Wenig später überließ sie immer wieder Alexis Valet mit dem dem Vibraphon die Melodieführung. "Ich mag den Klang dieses Instrumentes so sehr", sagte sie später. Und das hört man auch im gut abgestimmten Zusammenspiel der beiden Instrumente. Wenn Olga Amelchenkos auf die metallischen Klänge antwortet, dann tut sie das mit genau akzentuierten Tönen. Es machte Freude die Musik der jungen Musiker zu erleben, die wunderbar aufeinander eingestimmt waren.

Philipp Gropper`s PHILM

Im Clubabend am zweiten Tag der Magdeburger Jazztage stand Philipp Gropper mit seinem Projekt PHILM auf der Bühne des Forum Gestaltung. Kräftige Klänge aus vollen Rohren!

Philipp Gropper – Tenorsaxophon
Philip Zoubek – Piano, Synthesizer
Robert Landfermann – Bass
Oliver Steidle – Schlagzeug 


Wow, welch ein heftiger Beginn! Das Konzert begann äußerst geräuschbetont und wild. Ein Tohuwabohu – und das meine ich nicht despektierlich – von Klängen, jenseits allen easy listenings, flutete den Raum, drang in die Ohren und machte sie zugleich frei für die kommende Konzertstunde. Nach einem ersten Oha! machte die Musik von Beginn an Freude. Ein progressives Chaos, aus dem hier und da immer wieder einzelne Stimmen der vier Instrumentalisten herausschauten. So etwas kräftiges habe ich lange nicht gehört. Bei aller Wildheit war zugleich die Virtuosität der Musiker erkennbar, vor allem als nach dem fulminanten Beginn auch einige melodischere Passagen folgten. 

Donnerstag, 21. April 2022

Shake Stew: "Heat"

Zum Auftaktkonzert der 5. Magdeburger Jazztage "Jetzt" stand die österreichische Band „Shake Stew“. In der Musik der Band trifft Fusion auf Afro Beat und Big-Band-Bläsersätze. Ein großartiger Beginn des Festivals im ausverkauften Gartensaal des Gesellschaftshauses.

Lukas Kranzelbinder – Kontrabass, E-Bass, Guembri, Leader
Fabian Rucker – Altsaxophon
Johannes Schleiermacher – Tenorsaxophon, Flöte
Mario Rom – Trompete
Tobias Hoffmann – E-Gitarrre
Niki Dolp – Schlagzeug, Perkussion
Christian Eberle Marquez – Schlagzeug, Perkussion

Was für eine wilde Klangvielfalt gleich von Beginn an! Die Band begann mit den ersten beiden Titeln des aktuellen Albums "Heat". Die zwei (!) Schlagzeuger der Band legen schnelle und mitreißende Rhythmen vor, die vom Sound der Bläser überlagert werden. Afrikanisch geprägte Rythmen, Big-Band-inspirierte Bläsersätze – all das mischt sich zu einem modern urban global big band sound. Eine Musik, zu der man schon nach den ersten Takten am liebsten aufstehen (das Konzert fand im bestuhlten Saal statt) und sich bewegen möchte (und das muss schon was heißen, wenn sogar ich als Tanzmuffel so etwas schreibe...). 

Als es später leiser wird, Lukas Kranzelbinder zur marokkanischen dreisaitigen Laute Gimbri greift, da klingt Afro-Pop durch, wie man ihn von Künstlern wie Fela Kuti kennt. Von Johannes Schleiermachers Querflöte kommen Vogelstimmen und vom vorher so kräftigen Schlageug hölzerne Klänge der Schlitztrommel und leise prasselnder Regen. Es ist wie ein Umschalten auf Weltmusik-Klänge. "Die nordafrikanische Musik hat meine Musik geprägt", sagte mir Kranzelbinder nach dem Konzert, "aber auch Musiker wie der Wiener Joe Zavinul". Kein Wunder, wenn einige der Bläsersätze nach Fusion Music klingen, wenn die Bläser beinahe unisono langegezogene Melodien spielen. Als die ersten beiden Stück nach langen Variationen und Improvisationen enden, sagt Kranzelbinder dem Publikum: "Auf der CD ist es kürzer. Aber man verliert sich als Musiker so leicht in diesen meditativen Klängen".

Eröffnung der Magdeburger Jazztage 2022

Heute wurden im Magdeburger Gesellschaftshaus die Magdeburger Jazztage eröffnet, die fünften immerhin schon. Hätte es nicht Corona gegeben, dann wären es bereits die siebten gewesen. Was zu dem Zusatz "endlich" auf dem Schriftzug des Plakates der Jazztage führte. Das Programm für 2020 stand bereits, dann kam die Absage aller Veranstaltungen wegen der Corona-Pandemie. Im Frühjahr 2021 ebenso. Im Herbst 2021 konnte es mit dem "Offbeat" zumindest einen kleinen Ersatz geben. 

Norbert Pohlmann

Überschattet werden  die Konzerte vom Krieg, den Russland gegen die Ukraine führt – mitten in Europa. "Man fragt sich manchmal. 'kann man in diesen Zeiten Kultur machen'", sagte Norbert Pohlmann vom Forum Gestaltung, "aber ich meine: man kann nicht nur, man muss! Ich bin überzeugt davon, dass Kultur eine Form der Kommunikation ist, mit der wir nach vorn treten müssen". 

Samstag, 2. April 2022

Programm der Magdeburger Jazztage 2022

Das Programm der Magdeburger Jazztage steht jetzt. Im Mittelpunkt steht – dem Jahresthema von Jazz in der Kammer 2021 entsprechend, als die Jazztage abgesagt werden mussten – das Saxophon. 


Der Vorverkauf hat begonnen und es gibt wie schon in den Vorjahren wieder ein Festivalticket für alle vier Konzertabende – in limitierter Anzahl, aber für einen lukrativen, stark rabattierten Preis von 85 Euro statt 105 Euro beim Einzelkauf der Karten.

Donnerstag 21.04., 20 Uhr
Eröffnungsabend im Gesellschaftshaus

„Shake Stew“ (Österreich)
Lukas Kranzelbinder – Kontrabass, E-Bass, Guembri, Leader
Fabian Rucker – Altsaxophon
Johannes Schleiermacher – Tenorsaxophon, Flöte
Mario Rom – Trompete
Oliver Potratz – Kontrabass, E-Bass
Niki Dolp – Schlagzeug, Perkussion
Christian Eberle – Schlagzeug, Perkussion       

Freitag 22.04. 20 Uhr
Clubabend im Forum Gestaltung

Philipp Gropper`s PHILM (D,A)
Philipp Gropper – Tenorsaxophon
Philip Zoubek – Piano, Synthesizer
Robert Landfermann – Bass
Oliver Steidle – Schlagzeug                    

Olga Amelchenko Quartett (RU, Ukraine, Fr, USA)
Olga Amelchenko – Altsaxophon
Alexis Valet – Gitarre
Étienne Renard – Bass
Jesus Vega – Schlagzeug                     

Samstag 23.04.  19 Uhr
„Das Saxophon“ im Gesellschaftshaus 

Roger Hanschel + String Thing Streichquartett
Roger Hanschel – Altsaxophon/Komposition
Nicola Kruse – Violine
Ingmar Meissner – Viola
Gunther Tiedemann – Cello
Jens Piezunka – Bass                        

Julia Hülsmann Quartett
Uli Kempendorff – Saxophon
Julia Hülsmann – Piano
Marc Muellbauer – Bass
Heinrich Köbberling – Schlagzeug               

European Improvisation Saxophone Quartet (I, Lt, D, UK)
Gianni Gebbia – Sopransaxophon
Vytautas Labutis – Altsaxophon
Warnfried Altmann – Tenorsaxophon       
Simon Rose – Baritonsaxophon                

Sonntag 24.04. 15 Uhr
Kinderprogramm im Gesellschaftshaus 

Hoppel Hoppel Rhythm Club
Jazz für Kinder ab 5
Peter Lehel – Saxophon
Peter Schindler – Piano
Mini Schulz – Kontrabass
Obi Jenne – Schlagzeug

Sonntag 24.04. 20 Uhr
Abschlusskonzert Gesellschaftshaus 

Christof Sänger Trio feat. Peter Weniger (D)
Peter Weniger – Saxophon
Christof Sänger – Piano 
Rudi Engel – Bass
Heinrich Köbberling – Schlagzeug


Montag, 21. März 2022

Pisarović und Dörner: Sevdah

Ich kann gar nicht genau sagen, was mich mehr beeindruckt hat – Vesna Pisarovic mit ihrer klaren kräftigen Stimme oder Axel Dörner mit seiner von Elektronik begleiteten Trompete.  Jedenfalls war das Konzert ein minimalistisches, mit einer auf das minimal mögliche reduzierten Begleitung des Gesangs durch nur ein Instrument. 

Vesna Pisarović – Gesang
Axel Dörner – Trompete, Elektronik

Das Konzert beginnt mit Windgeräuschen: Axel Dörner bläst mit etwas Abstand auf sein Trompetenmundstück, lässt nur die strömende Luft tönen. Fügt dann sirenenartige Glissandotöne hinzu, indem er das Rohr seiner Firebird-Trompete bewegt, dieser eigenartigen und seltenen Mischung aus Trompete (mit Ventilen) und Posaune (mit beweglichem Zug). Und als wäre das nicht genug an ungewohntem Instrumentarium, hat er seitlich noch ein Konstrukt aus elektronischen Dreh- und Schiebereglern aufgesteckt. Aus der Elektronik kommen gesampelte Maschinenklänge hinzu, oder Sounds, wie sie die Älteren unter den Zuhörern an Töne des Kurz- oder Mittelwellenempfängers noch kennen, wenn man abends am Radio den richtigen Sender suchte. 

Als Axel Dörner nochmals seine durchdringenden Töne erklingen lässt und Vesna Pisarović auf die Bühne kommt, beginnt ein interessantes Zwiegespräch zwischen Instrument und Stimme. Vesna Pisarović nimmt mit klarer hoher Stimme die Tonfolgen auf, wiederholt und variiert sie. Die Stimme als Instrument und ein Beispiel für das, was Saxophonist Warnfried Altmann bei seiner Anmoderation des Abends sagte "Wir Instrumentalisten versuchen, mit den Instrumenten zu singen. Aber das schönste Instrument ist wohl doch die menschliche Stimme, mit dem Körper als Resonanzraum." Ein harmonisches Miteinander wäre allein eher langweilig, bei den beiden Musikern unterstützt die Trompete mal den Gesang, mal bildet sie einen schreienden Gegensatz. Die so an vielen Stellen spürbare Aggressivität hat etwas faszinierendes – die Stellen mit Trompete und Stimme unisono im Gleichklang aber auch. 

Sonntag, 27. Februar 2022

Vorschau März: Pisarovic und Dörner

Im März gibt es eine auf das minimal mögliche reduzierte Begleitung des Gesangs: nur ein Instrument, die Trompete, begleitet die Stimme.  

Vesna Pisarovic – Gesang
Axel Dörner – Trompete


Aus der Ankündigung: 

Ihr gemeinsames Projekt nennen Pisarovic und Dörner “Sevdah“. Im Mittelpunkt stehen die Volkslieder Bosniens namens “Sevdah“ oder “Sevdalinka". Der Name stammt vom arabischen Ausdruck “säwda”, einer Übersetzung aus der hippokratischen Temperamentenlehre, der schwarzen Galle (black bile, melan kholé), dessen hauptsächliche lyrische und melodische Motive melancholische Liebe und Sehnsucht sind. Sevdah wird in einen improvisierten Kontext gestellt.

In  „The Great Yugoslav Songbook“ unternimmt Vesna Pisarović eine ironische Exploration in Bezug auf das Erbe der jugoslawischen Pop Musik aus den 50er und 60er Jahren

Vesna Pisarović
Die Sängerin und Komponistin wurde in ihrer kroatischen Heimat zu einem Popstar. Ihre Wurzeln liegen im Punkrock und mit ihrem Album With Suspicious Minds öffnete sie sich dem Jazz und der Improvisierten Musik. Heute lebt und arbeitet sie in Berlin.

Axel Dörner
Der deutsche Jazztrompeter und Komponist zeichnet sich durch seine Vielseitigkeit und avantgardistische Spielweise aus. Dörner ist ein fester Bestandteil Berliner Szene der experimentellen improvisierten Musik. Erspielt Bebop genauso wie klassischen Free Jazz oder elektronische Musik.
2006 erhielt er den SWR-Jazzpreis und 2019 den Jazzpreis Berlin.


Montag, 21. Februar 2022

Maria Raducanu Trio

Ausdrucksstarker Gesang zwischen Jazz und Ethno, begleitet von zwei sensiblen Musikern an Bass und Schlagzeug, das war heute die Musik bei Jazz in der Kammer im Forum Gestaltung. 

Maria Raducanu – Vocals
Jan Roder – Kontrabass
Michael Griener – Schlagzeug

Ein ungewöhnlicher Beginn: Jan Roder erzeugt auf seinem Bass einen mit dem Bogen gestrichenen Rhythmus aus gleichbleibenden tiefen Tönen, gleichmäßig wie eine Dampfmaschine, die zischenden Klänge der Becken verstärken diese Assoziation. Dazu die Stimme von Maria Raducanu, die rumänisch und damit in einer den meisten im Publikum unbekannten Sprache singt, melancholisch und voller Gefühl. Eine Musik, die deshalb vor allem über das Gefühl wirkt. Und die in einer sehr ruhigen, entschleunigenden Weise daherkommt, langsam und doch zugleich auch komplex und virtuos. Die Stimme steht dabei im Vordergrund, Jan Roder, der seinen Bass singend klingen lässt, und Michael Griener, der sein Schlagzeug überwiegend leise spielt, liefern dazu eine gut abgestimmte Umrahmung.

Später kommen auch englische Titel hinzu, Songs von Winter und Schnee, deutlich von osteuropäischer Folkmusic beeinflusst. Aber auch der englischssprachige Jazzgesang ist hörbar beeinflusst von osteuropäischer Stimmung. In ihrem Gesang zelebriert Maria Raducanu die Langsamkeit, lässt dem Ausdruck in ihrer Stimme weiten Raum, wenn sie lang gedehnt singt. 

Am Ende des ersten Sets ein Titel, bei dem mich besonders faszinierte, wie Jan Roder am Bass eine gezupfte Melodie anstimmt. Eine ganz einfache, die mir seltsam bekannt vorkommt, wie ein lange vergessenes Lied, ein Volkslied vielleicht oder ein Schlager. Stinge Lampa (Dreh das Licht ab) Das letzte Lied auf der aktuellen CD. Aus der einfachen Melodie wird ein Bossa-Rhythmus. 

Mittwoch, 26. Januar 2022

Vorschau 2022

Unter den Bedingungen der Corona-Pandemie (und den Einschränkungen des öffentlichen Lebens) ist eine langfristige Planung von Konzerten schwierig. Deshalb gab es bisher noch kein fertiges Jahresprogramm. Heute endlich kam die erlösende Nachricht von Warnfried Altmann: das Jahresprogramm für 2022 steht!

Das Programm für 2022 stellt den Gesang und die menschliche Stimme in den Mittelpunkt. Und es bietet wieder eine Mischung aus ganz verschiedenen Spielarten des Jazz. Mit vielen Musikern, die noch nie hier in Magdeburg zu erleben waren. Ich bin schon gespannt drauf!

Aktuell dürfen die Konzerte unter 2-G-Bedingungen (Zutritt für geimpfte/genesene) stattfinden. Zumindest für die nächste Zeit plant Sachsen-Anhalt keine Verschärfung der geltenden Schutzmaßnahmen. Das macht Hoffnung darauf, dass die Konzerte stattfinden können.

21.02.2022, 20:00
Maria Raducanu Trio (Rumänien, Deutschland)
Maria Raducanu – Gesang,
Jan Roder – Bass,
Michael Griener – Schlagzeug

21.03.2022, 20:00
Pisarovic und Dörner (Kroatien, Deutschland)
Vesna Pisarovic – Gesang
Axel Dörner – Trompete

21. bis 24.04.2022
Magdeburger Jazztage
u.a. Ernie Watts Qartett, Roger Hanschel & String Thing Quartett
Das Programm wird separat veröffentlicht.

16.05.2022, 20:00
Almut Kühne und Jan Heinke
Gesang und Stahlcello/Obertongesang


20.06.2022, 20:00
Kira Linn + Katharina Koch                           
Baritonsaxophon und Gesang

Juli/August – Sommerpause

19.09.2022, 20:00
Phil Minton / Lu Hübsch
Gesang + Tuba
(USA, Deutschland)

17.10.2022, 20:00
Jacobien Vlasman Trio

21.11.2022, 20:00
Leopolis Quintett (Ukraine, Litauen, Bulgarien, Deutschland)
Uliana Horbachevska – Stimme
Petras Vysniauskas – Sopransaxophon
Antoni Donchev – Piano
Christian Ramond – Bass
Klaus Kugel – Schlagzeug

19.12.2022, 20:00
An Ayler XMas
The Music of Albert Ayler & Songs of Christmas
Mars Williams – Saxophon, Flöte
Jaimie Branch – Trompete, Electronics
Knox Chandler – E-Gitarre, Electronics
Mark Tokar – Bass
Klaus Kugel – Schlagzeug

Sonntag, 23. Januar 2022

Vorschau Februar: Trio Maria Raducanu

Auch im Februar-Termin steht dem diesjährigen Jahresthema von Jazz in der Kammer entsprechend die Stimme im Vordergrund. Am 21. Februar 2022 um 20 Uhr steht das Trio Maria Raducanu auf der Bühne des Forum Gestaltung Magdeburg. 

Maria Raducanu – Vocals
Jan Roder – Kontrabass
Michael Griener – Schlagzeug

Jan Roder und Michael Griener waren bereits mehrfach in Magdeburg zu erleben. Maria Raducanu ist mir bislang noch unbekannt. Die Beschreibung in der Konzertankündigung macht mich aber schon neugierig. 

Maria Raducanu ist eine rumänische Ethno-Jazzsängerin mit breitem weltmusikalischemHorizont. Die musikalische Autodidaktin spielte schon in jungen Jahren Geige und Gitarre und hatte im Alter von fünfzehn Jahren ihre Stimme"entdeckt“. Seitdem erhielt sie höchste Auszeichnungen und wird von Publikum und Kritikerngleichermaßen gelobt.
Maria Tanase und Edith Piaf waren ihre wichtigsten Einflüsse, und ihr subtiler,eleganter Gesang verzaubert ihr Publikum überall.

Freitag, 21. Januar 2022

Sophie Tassignon: Mysteries Unfold

Der zweite Teil des Doppelkonzertes gehörte der Stimme von Sophie Tassignon, die allein mit ihrem Elektronik-Set auf der Bühne stand. 

Als Sophie Tassignon auf die Bühne kommt und zu elegischen Elektronikklängen singt, da klingt das zunächst nach einer Mischung irgendwo zwischen Mittelaltermusik, osteuropäischer Folklore und indischen Ragas. Einige russische Worte höre ich heraus, und später erklärt sie auch die Herkunft der Musik aus einem russischen Film. 

Auch in den weiteren Liedern behält die Musik ihren geheimnisvollen Unterton, harmoniert mit den oft etwas düsteren Texten, etwa wenn in descending tide das zurückgehende Wasser die Liebe mit sich fort nimmt. Oder in La nuit der Kampf von Tag und Nacht beschrieben wird – und die Nacht gewinnt, wie sie dazu sagt. Zischende Stimmen, die sie ihrem Gesang überlagert, bringen eine geheimnisvolle Stimmung.

Julie Sassoon

Das Doppelkonzert von Julie Sassoon und Sophie Tassignon war bereits für den 20. März 2002 geplant. Mit diesem Datum fiel es in die erste Welle der pandemiebedingten Schließung von Veranstaltungsorten und Absagen von Konzerten. Nach fast zwei Jahren konnte es nun nachgeholt werden. "Wenn der Spruch, dass Vorfreude die schönste Freude ist", bemerkte Gastgeber Norbert Pohlmann dazu, "dann hatten wir jetzt zwei Jahre voller Freude". 

Im ersten Teil des Doppelkonzertes war Julie Sassoon solo am Klavier zu erleben.

Ihr Konzert begann Julie Sassoon zum Stecknadel fallen hören leise. Am Bechstein-Flügel stehend ließ sie nur wenige Töne klingen, leicht angeschlagen und lange gehalten. Scheinbar zufällig kamen die Töne, etwa so, wie die ersten Tropfen eines Regens hier und da auf die Erde auftreffen. Der Langsamkeit Raum geben, dem Nachhall der Töne lauschen, das bestimmt den Anfang des Konzertes. Faszinierend ist es (umso mehr, als man es jetzt live erleben kann), wie sich dieses leise Spiel dann allmählich steigert, an Dynamik und Tempo gewinnt. Als sie später zu einem sehr melodisch gespielten Klavier auch noch einzelne Töne singt, da verschmelzen Instrumentenklang und Stimme, man überlegt, was da Ursprung der neu hinzukommenden Töne ist.

Sonntag, 16. Januar 2022

Ein wahres Elend, der verdammte Krieg – Gedenkkonzert zur Zerstörung Magdeburgs

Heute vor 77 Jahren kam der Krieg zurück nach Magdeburg, wurden bei einem Bombenangriff große Teile der Stadt dem Erdboden gleichgemacht. Das Forum Gestaltung erinnerte mit einem Konzert an diesen Tag, seine Opfer und seine Vorgeschichte. 

Warnfried Altmann – Saxophon
Hermann Naehring – Schlagwerk, Percussion
Mahamad Isaa – Rezitation
Norbert Pohlmann – Filmcollage, Übersetzung, Rezitation

Norbert Pohlmann fragte angesichts der bis heute an jedem Tag irgendwo auf der Welt stattfindenden Kriege zu Beginn des Konzertes ins Publikum und auch sich selbst "hat es noch Sinn, Jahr für Jahr in sich wiederholender Form an diesen Tag zu erinnern?". Und lieferte auch die Antwort, über die er mit Mohamad Issa zuvor nachdachte. "Ich bin mir etwas weniger sicher, er mehr". Mohamad Issa, der vor dem Krieg in seiner syrischen Heimat floh, hat den direkten Bezug zu Krieg und Zerstörung – und gab dem auch in seiner Lyrik Ausdruck. Norbert Pohlmann trug diese Texte dann auf deutsch vor.

Aber auch aktuelle Vorgänge, das Erstarken rechter Kräfte, hatte Norbert Pohlmann im Sinn. In Anlehnung an den Begriff der political correctness rief er auf, "Lassen Sie uns human correct sein. Und lassen Sie uns ein 'dennoch' mitdenken. Denn noch ist es nicht zu spät. Noch kann man etwas tun."

Mohamad Issa sprach in seinen Gedichten vom Asyl, das ihm gegeben wurde, und von Gedanken an die Heimat, bei denen das Herz fast platzt. In seinen Gedichten gab es Erinnerungen an Friedenszeiten und Berichte vom Krieg in der Heimat. Und in der deutschen Übertragung erinnerte das an griechische Heldensagen, wie die vom Untergang Trojas. Die Geschichte der Kriege ist alt. Und sie ist leider nicht zu Ende. 

In einem Gedicht hieß es "Welche Schuld tragen die Kinder?". Die Frage war wie eine Vorschau auf die Filmcollage. In der zum Ende auch die Toten des Krieges vorkamen. In endlosen Reihen von Särgen, in Bildern von Menschen, die die Reihen von Toten auf der Suche nach Angehörigen abgingen. Und, wohl am berührendsten, in den Anblicken toter Kinder, die Hände über der Brust gefaltet, das Haar sich noch leicht im Wind bewegend.