Jan Klare – Saxophon
Bart Maris – Trompete
Wilbert de Joode – Bass
Michael Vatcher – Schlagzeug
Mit dem Konzert von "1000" geht die der Trompete gewidmete Konzertsaison von "Jazz im Schauspielhaus" zu Ende – ab Oktober geht es wieder jeden dritten Montag weiter, dann mit der Gitarre als das alle Konzerte thematisch verbindende Instrument. Passend zum letzten Konzert der Saison stellte Jan Klare auch gleich seinen Trompeter mit den Worten vor: "Unsere Eintrittskarte ist Bart Maris".
Wer "1000" noch vom letzten Magdeburger Konzert vor drei Jahren in Erinnerung hat, der hat vielleicht noch eine Vorstellung von der Wandelbarkeit der Musik. Darin finden sich unterschiedlichste Stilrichtungen, mal Jazz-Standards, mal freie Improvisation, bei der sich jeder der Musiker scheinbar selbst seine eigene Stimme sucht, und mal ist auch Richard Wagner herauszuhören.
All das nicht etwa fein säuberlich sortiert, sondern innerhalb der Stücke oft ineinander übergehend. Gleich beim ersten Stück, "Skywalk", werden aus scheinbarem Chaos zum Schluß ganz sanfte Melodien. So geht es dann auch weiter, etwa mit "Bop", mit Jazz-Standards und kräftigen Rythmen von Michael Vatcher am Schagzeug und Wilbert de Joode am Bass gespielt. Jan Klare und Bart Maris klingen zunächst völlig dissonant, auf der Suche nach einer gemeinsamen Melodie, die die beiden musikalischen Zwillinge (wie sie sich auf der Bandwebseite bezeichnen) dann am Ende auch finden. Zuvor wird die Musik der Band immer wilder.
Kurz darauf, bei "Loose ist" wird die Musik langsamer und düsterer, wenngleich nicht weniger laut, vielleicht an eine mexikanische Begräbniskapelle erinnernd. Trotz der Lautstärke aber deutlich und ruhig. Daß Jan Klare trotz der oft lauten Musik auch die Stille mag, wird deutlich, wenn etwa bei "Baccara" aus dem Spiel der vier Instrumentalisten ein dB-reiches Grundgeräusch entsteht, das urplötzlich abbricht – und in die Stille hinein de Jode mit nur noch ganz leisen Tönen zu hören ist, mit dem Bogen die Saiten nur leicht antupfend. Vatcher fügt mit kleinen Holzklangstäben einen geheimnisvollen Rhytmus hinzu, der irgendwo aus Afrika her stammen könnte. Der darauf einsetzende Bläsersatz von Klare und Maris dann französisch inspiriert, oder waren es Klänge inspiriert von Cajun aus den Sümpfen Louisianas? Hörenswerte Musik.
Vor allem Bassist Wilbert der Joode sieht man die Kraft an, die in der Musik steckt. Wenn er den Baß wie eine Gitarre anschlägt, die Saiten weit über den Steg hinaus zieht und sie auf das Griffbrett knallen läßt, mit dem Bogen auf den Baß einschlägt oder ihn damit so kräftig reibend und knarzend streicht, daß das Kolophonium in leichten Wolken wegstaubt, dann kann man schon Angst bekommen. Angst um das Instrument, das man so malträtiert sieht und dessen Saiten kurz vor dem Zerreißen zu stehen scheinen. Diese Bedenken mag de Joode nicht teilen. "Der Baß stammt aus dem Jahr 1840", sagt er in der Pause, "der hat schon viel mitgemacht und hält das aus".
Daß sich die Musik der Band jenseits von musikalischen Konventionen bewegt, ist Jan Klare bewußt. Aber er freut sich darüber, "daß es in Magdeburg keine Berührungsängste gibt", wie er sagte. In seiner Musik will er dem Gefühl für die musikalische Form Ausdruck geben und lädt die Musiker zum musikalischen Gespräch ein: "Nicht einen Monolog, sondern einen Dialog der Kulturen", gibt er im Pausengespräch als Idee der Band an. Und erklärt auch den Namen der Band. Die entstand 2004 aus einem musikalischen Projekt in Zusammenhang mit der Bewerbung seiner Heimatstadt Münster um den Titel der Kulturhauptstadt. Damals wollte sich die Band mit der Musik der vergangenen 1000 Jahre auseinandersetzen. (Nebenbei: Münster wurde damals nicht Kulturhauptstadt, aber die Band gibt es noch immer. Und: auch Magdeburg strebt zur Zeit den Titel der Kulturhauptstadt an – und wie auch immer das ausgeht, der Magdeburger Kulturszene kann das nur gut tun).
Einen Anklang an jahrhundertealte Musik gab es nach der Pause, etwa als bei "Hymnus Organum" die Instrumente wechselten: Klare an der Querflöte und Vatcher mit einer Zither. Oder das von Ravel inspirierte "Fountain" mit perlenden (Wasser)Tönen. Ein Kontrast zum ersten Set. Mit ihrer Vielfalt der musikalischen Form und der Auseinandersetzung mit muikalischen Ideen paßte "1000" wunderbar in das Konzept der Magdeburger Jazzreihe, die die Lust am Neuen wachhalten möchte.