Donnerstag, 30. Dezember 2021

Vorschau Januar: Stahl-Cello trifft auf Obertongesang

Im Januar sind zwei Konzerte anzukündigen: 

Am Sonntag, dem 16. Januar um 20 Uhr erinnern Warnfried Altmann und Hermann Naehring wieder in ihrem Gedenkkonzert an die Zerstörung Magdeburgs am 16. Januar 1945. Saxophon und Schlagwerk vor einer Filmcollage. Das Konzert endet kurz vor dem damaligen Beginn der Bombardierung. Anschließend kann man im Hof des Forum Gestaltung schweigend den überall in der Stadt ertönenden Glocken lauschen.

Das Konzert am 17. Januar wurde aus gesundheitlichen Gründen abgesagt!
Ich wünsche gute Besserung!

Am Montag, dem 17. Januar, gleichfalls um 20 Uhr, gibt es wieder das reguläre Jazz in der Kammer. Mit einem Konzert, auf das ich mich schon sehr freue: Almut Kühne (sie war im April 2015 bereits bei Jazz in der Kammer zu erleben) kommt gemeinsam mit Jan Heinke und seinem Stahlcello nach Magdeburg.

Almut Kühne – Gesang
Jan Heinke – Stahlcello, Percussion, Obertongesang

Almut Kühne und Jan Heinke
(Bildschirmfoto aus dem Video)

Almut Kühne war bereits vor sechs Jahren, im April 2015 bei Jazz in der Kammer zu erleben. Jan Heinke hatte ich im Jahr 2018 beim Rudolstadt-Festival gemeinsam mit drei weiteren Stahl-Cellisten als "Stahlquartett" live hören können und war damals begeistert vom Klang dieser Instrumente, dieser stählernen Ungetüme. Das Stahlcello ähnelt einem Skelett, wie man es vielleicht von Sauriern aus dem Museum kennt. Ein Goßes Blech spannt sich wie ein Segel über Stahlrippen. Blech und Rippen mit dem Bogen anstreichend (das ist dann die Verbindung zum Cello) entstehen sich langsam aufbauende Klänge, die von tief dröhnendem Bass bis zu hohem metallischem Klang reichen. Sphärisch und mystisch klingt das Instrument – dazu dann Almut Kühnes Gesang und Jan Heinkes Obertongesang. In einem Video eines Projekts beider Musiker kann man schon mal reinhören und -sehen:

Aber Video ist nie so schön wie live – deshalb eine herzliche Einladung ins Forum Gestaltung!
Hinweis: Das Konzert findet unter "2G" (geimpft/genesen) statt. Bitte denken Sie an einen entsprechenden Nachweis und Ihren Ausweis.

Im Jahr 2022 soll der Gesang als Thema im Mittelpunkt von Jazz in der Kammer stehen. Das Konzert am 17. Januar macht da den Auftakt. Es ist aber der ungewissen Situation von Veranstaltern und Künstlern geschuldet, dass es anders als in "normalen" Jahren noch kein fertig durchgeplantes Jahresprogramm gibt.

Montag, 20. Dezember 2021

Ruf der Heimat

Mit "Ruf der Heimat" steht ein Jazzquartett auf der Bühne, das mit Saxophon und Posaune eine doppelte Bläserbesetzung hat. Dazu noch ein Bass und Schlagzeug. Worauf man in diesem Fall ausdrücklich hinweisen kann: ein kräftiger Bass, denn auch dieser spielt unverstärkt. Man kommt also in den Genuss einer völlig unverfälschten, akustischen Musik. Unplugged, und das funktioniert auch wunderbar. 

Thomas Borgmann – Tenor- & Sopransaxophon, Flöte
Christof Thewes – Posaune
Jan Roder – Bass
Willi Kellers – Schlagzeug

Das Konzert fand in einer Zeit mit steigenden Pandemiezahlen statt, in einer wieder heranbrechenden Zeit der Unwägbarkeit für Musiker, Veranstalteru und Publikum. "Egal was die Politiker morgen beschließen, wir machen unbeirrt Kunst und Kultur im Forum", sagte Warnfried Altmann bei der Anmoderation der Musiker. "Wir lassen uns heute nochmal ergreifen von vier phantastischen Musikern".

Bei der Instrumentierung bleibt es nicht aus, dass die Musik ab und an auch Anklänge an klassischen New Orleans zeigt – wenn auch in einer eigenwilligen Form. Christoph Thewes Posaune meint man beinahe sprechen zu hören, Willi Kellers legt einen Rhythmus drüber, den er aus dem Maschinenraum des Jazz holt, Jan Roders Bass klingt mit kräftigen, tiefen und groovenden Tönen und dazu kommt Thomas Borgmann mit einem wilden Saxophon. Vor Weihnachten ist das mal eine Gelegenheit, sich so weit wie möglich von romantisch-kitschigem Weihnachtsgedudel zu entfernen. 

Samstag, 27. November 2021

Offbeat: Jazzrock Kollektiv Magdeburg feat. Łukasz Pawlik

Rock, Blues, Fusion – all das steckte in der Musik des Jazzrock Kollektiv Magdeburg zum Abschluss des Offbeat Jazzfestes im Gesellschaftshaus Magdeburg.

Stephan van Briel – Gitarre
Łukasz Pawlik
– Klavier
Mohi Buschendorf
– Bass
Peter Fleckenstein
– Schlagzeug

Das Jazzrockkollektiv hatte sich den Pianisten Łukasz Pawlik hinzugeholt und er gab dem Konzert dann auch eine besondere Note. Da klingen schon mal aus dem E-Piano asiatisch anmutende Klänge, aus denen die Band dann Fusionklänge formt, die von kräftigen Tönen des Flügels abgelöst werden, zu dem sich Pawlik hingewendet hat. 

Stephan van Briel spielt eine leise, melodische Gitarrenballade, zu der Mohi Buschendorf später einen kräftigen Bass und Łukasz Pawlik eine zurückhaltende Klavierbegleitung hinzufügt. Etwas später spricht Stephan van Briel spricht über Jimmi Hendrix und John Coltrane: "die beiden werden wir jetzt in einem coolen Arrangement zusammenbringen". Fusion im doppelten Sinn, Blues wechselt mit Rock, elektronisch verzerrte Gitarre wird zum "Geburtstagsständchen für Jimmi Hendrix" (der exakt am 27. November 1942 geboren wurde). 

Offbeat: Benjamin Ulrich Trio feat. Alexander Wienand

Ein Jazz-Klaviertrio in klassischer Besetzung gab den Auftakt zum zweiten Teil des Offbeat Jazzfestes. Eine Mischung aus schnellem Blues und sinnlichen Klavierstücken.

Benjamin Ulrich – Schlagzeug
Alexander Wienand – Klavier
Lars Düseler – Bass 

Das Trio beginnt zum Einstieg mit locker dahingespielten Klavierklängen und swingenden Melodien. Etwas später erklingt für einen Jazzabend ungewohntes: Alexander moderiert das nächste Stück (Mozart Paraphrase 3) an, setzt sich an den Flügel, spielt erst den Beginn von Mozarts D-Moll-Sonate, anschließend von Bachs Wohltemperierten Klavier und sagt dazu: "dies nur vorab, damit Sie nachher die Chance haben, das wahrzunehmen". Tatsächlich hört man aus der Musik der Band dann die Struktur dieser klassischern Stücke heraus. 

Andere Stücke basierten auf bekannten Poptiteln. So wie "Here comes the sun", etwas schwungvoller und frischer als das Original der Beatles. And it's alright, little Darling, yeah! Ein weiteres Stück schrieb Bandleader Benjamin Ulrich für Lars Düseler. "Ich liebe Bass-Themen, es ist aber manchmal gar nicht so einfach das hinzubekommen". Ein musikalisches Zwiegespräch zwischen Klavier und dem tief brummenden akustischen Bass. Erst später kommt Ulrich hinzu, die Trommeln nur leise mit den Besen gestrichen (mich erinnerte diese zurückhaltende melodische Musik an Vince Guaraldi). 

Freitag, 26. November 2021

Offbeat: Thomas Walter Maria & Kapelle

Thomas Walter Maria und seine Kapelle könnte man auch gut als "Mini-Big-Band" bezeichnen, so kräftig und schwungvoll wie die wirklich nur fünf Musiker spielten.

Thomas Walter Maria – Saxophon, Flöte, Gesang
Marius Moritz – Klavier
Markus Hensel – Posaune
Mohi Buschendorf – Bass
Ludwig Buschendorf – Schlagzeug

"Wir nehmen Sie mit auf eine musikalische Zeitreise, von den 1920er Jahren bis heute", sagte Thomas Walter Maria zu Beginn des Konzertes. Aber erst jetzt wo ich das schreibe wird mir bewusst dass es ja tatsächlich nun schon fast 100 Jahre her ist, das Songs wie Puttin on the Ritz entstanden. Gespielt und gesungen wie in einer der Bars aus dem Berlin der 1920er Jahre (und da ich noch nicht so alt bin: jedenfalls so wie ich mir das vorstelle). 

Nicht nur eine Zeitreise ist zu erleben, sondern auch eine Fahrt durch die Stile des Jazz. B-Bop, Swing, Musik aus dem Jame-Bond-Film "You only live twice" von 1967 – in einer Samba-Bossa-Nova-Version, die sich so schwungvoll vom Original entfernt, dass es eine Freude hat. Etwas funkiges aus den 70ern. Für die 80er steht "sweet dreams" von den Eurythmics, schon deshalb so interessant weil die Stimme so anders als im Original ist, dazu noch die spezielle jazzige Interpretation, toll! Für die 70er dann "Paquito", eine Hommage an den kubanischen Saxophonisten Paquito d'Rivera.

Offbeat: Marius Moritz

Im zweiten Set des Abends kam Marius Moritz solo auf die Bühne. Konzertrierte Klavierklänge mit Anklängen an minimal music.

Am großen Flügel des Magdeburger Gesellschaftshauses sitzend, beginnt er mit leisen Melodien über einer ruhigen Basslinie. Ruhige Musik, die mit wenigen Tönen auskommt. Schwer zu beschreiben und zugleich faszinierend. Jedenfalls stellt sich im Saal sofort eine konzentrierte Ruhe ein. Allmählich werden die scheinbar gleich wiederholten Tonfolgen kräftiger, das Spiel lebhafter. "Auszüge aus meinen Solo-Alben", wie er später sagt. Als nächstes ein Stück von Erwin Schulhoff, einem mir bis dahin nicht bekannten Komponisten der Neuen Musik. Marius Moritz spielt einen von dessen "Reigen" in einer jazzigen Form. 

Einige weitere Kompositionen von Moritz erinnen mich teilweise an Stücke von Johann Sebastian Bach (so seine "Etüde Nr. 12"), andere mit sich ständig wiederholenden Tonfolgen an minimal music. Marius Moritz' ruhige Musik stellte einen wohltuenden Kontrast zu den anderen beiden Teilen des Offbeat-Abends dar. 

Übrigens schließ sich an dieser Stelle der Bogen zu Jazz in der Kammer: im Juni 2019 war Marius Moritz dort mit seinem Projekt "Sonore Wandbehänge" zu hören, mit Kompositionen von Eric Satie.

Offbeat: Be-Swingt

Lieder in jazziger Form und Instrumentals standen am Beginn des Offbeat Jazzfestes im Magdeburger Gesellschaftshaus. So groß ist die Jazz-Szene in Magdeburg nicht, man kennt sich, tritt auch mal jenseits der gewohnten Pfade miteinander auf. Oliver Vogt und Ulrike Nocker sind in Magdeburg bekannt, Warnfried Altmann auch, nur zusammen habe ich sie das erste mal erleben können.

Oliver Vogt – Piano
Ulrike Nocker – Gesang
Warnfried Altmann – Saxophon
Matti Philipp – Schlagzeug

Der Abend beginnt mit einem swingenden Instrumental. Anschließend kommt Ulrike Nocker auf die Bühne, singt mit kräftiger Jazz-Stimme in Interaktion mit Warnfried Altmanns kräftigem Saxophon. "Du bist der Mondmann", singt sie, "wenn ich Dich brauch machst Du Dich dünn". Es ein wenig ungewohnt, wenn man Altmanns sonst eher dem Freejazz zugewandtes Spiel kennt, und ihn nun als Sideman einer Swing-Jazz-Tanzkapelle auf der Bühne steht. Aber es passt auf eine natürliche Art zusammen. Oliver Vogt erklärt auch warum: "Warnfried haben schon vor 37 Jahren gemeinsam Musik gemacht". Und sagt als Anmoderation des nächsten Stücks ("Medjaroo") zu Altmann: "vor langer Zeit hast Du uns mal ein Stück geschrieben und das spielen wir jetzt gemeinsam". Zu Vogts leisen Synthieklängen spielt Altmann lange Melodiebögen und ist da wieder in seinem improvisierenden Element. Zusammen klingt es wie eine Mischung aus osteuropäischem Klavier und jazzigem Saxophon. 

Eröffnung des Offbeat-Jazzfestes

Das Offbeat-Jazzfest entstand nach einer Idee des Gesellschaftshauses, erklärte Norbert Pohlmann bei der Eröffnung des ersten Abends. "Wir haben Jazz in der Kammer bei uns im Forum Gestaltung", sagte er, "wir haben gemeinsam mit dem Gesellschaftshaus  die Magdeburger Jazztage im April, die diesmal ausfallen mussten, und nun machen wir im Winter ein Termin für ein neues Jazzfest". 

Dieses fiel nun ausgerechnet in die Zeit der sich grad wieder verstärkenden Corona-Pandemie. "Wir haben den ganzen Tag gewartet, ob noch ein Anruf mit einem Verbot kommt, aber wir dürfen spielen und setzen Corona nun ein kräftiges ''off beat!' entgegen. Und bleiben dabei doch verantwortungsbewusst". So war es auch, denn am Eingang musste jeder einen Test oder den Impfnachweis vorzeigen (für die Leser in späteren Zeiten: dafür gab es damals die Abkürzung 3G = "geimpft, genesen oder getestet"). So konnten sich Publikum und Musiker sicher fühlen. Einer Hoffnung gab Norbert Pohlman auch Ausdruck: "Wenn wir sagen Offbeat statt Lockdown, dann hoffen wir auch, dass wir nicht als letzte Kulturveranstaltung in die Geschichte eingehen".

Stephan van Briel (links) und Norbert Pohlmann
bei der Eröffnung des Offbeat.

Nach der Eröffnung sagte Stephan van Briel noch etwas zur Musik und zur Zusammenstellung der Bands. Zu denen er dann am zweiten Tag auch gehören sollte, mit dem Jazzrock-Kollektiv Magdeburg. 

Das Offbeat gehört genaugenommen nicht in den Jazz-in-der-Kammer-Blog. Aber irgendwie auch doch – denn so groß ist die Jazz-Szene in Magdeburg nicht, tritt auch mal jenseits der gewohnten Pfade miteinander auf. Die geneigte Leserschaft des Blogs wird es schon richtig einordnen können. Zur Idee des Offbeat sagte mir Carsten Geerth später noch: "Wir wollen das Gesellschaftshaus auch für andere Musikformen als Klassik öffnen und sehen das zum anderen auch als Ergänzung zu Jazz-Formaten, wie sie zum Beispiel Jazz in der Kammer bietet." Dem Publikum zufolge scheint das angekommen zu sein.

Vorschau Dezember: Ruf der Heimat

Darf man aktuell überhaupt noch auf Konzerte hinweisen? Vielleicht muss man das sogar umso mehr - und dann hoffen, dass Vorschriften keinen Strich durch die Rechnung machen. Also: am Montag dem 20. Dezember um 20 Uhr heißt es bei Jazz in der Kammer: "Ruf der Heimat".

Thomas Borgmann – Tenor- & Sopransaxophon, Flute
Christof Thewes – Posaune
Jan Roder – Bass
Willi Kellers – Schlagzeug

Aus der Ankündigung:

Tradition erhält sich durch beständige Erneuerung: seit 1993 besteht dieses Spitzenquartett, und folgt dem Ruf des Jazz, indem es diesen als eine selbstverständliche Weiterentwicklung der in ihm angelegten Prinzipien von Improvisation und Spontaneität versteht.

Zur Stammbesetzung mit Thomas Borgmann und Willi Kellers kommen Christof Thewes und neuerdings Jan Roder hinzu. So wird diese Musik durch die Weitergabe an die mittlere Generation weiterentwickelt, in welcher sich Einflüsse und musikalische Erfahrungen aus einem längerem Zeitraum verbinden.

Das melodiöse Spiel von Thomas Borgmann, eingebunden in einen erdigen Sound, bewirkt, dass man sich bei dieser Musik sofort in der Welt des Jazz zu Hause fühlt, eine Welt, in der es allerdings auch manchmal zirpt und quietscht, rasselt. Dazu trägt nicht zuletzt auch Willi Kellers bei, „der zweitbeste Schlagzeuger der Welt, gleich nach Ed Blackwell“.

Die Heimat, die hier ruft, ist kein nostalgisches Klischee, sondern eine lebendige Erfahrung, gespeist von den Quellen des Free Jazz und auch dessen spezifischer Anverwandlung in der deutschen Jazzszene. Auch hier verbindet sich die Vergangenheit mit der Zukunft und liefert einen weiteren Beleg für die Lebendigkeit dieser Musik.

Drei der Musiker habe ich bei Jazz in der Kammer bereits in anderen Besetzungen gehört (in der Namensliste rechts sind sie zu finden). Ich bin gespannt auf das Konzert. Einen Vorgeschmack gibt es bei Youtube: 

Den aktuellen Vorschriften nach kann das Konzert im "2G"-Modus stattfinden (nur für geimpfte/genesene). Bringt also bitte die entsprechenden Nachweise mit.

Montag, 15. November 2021

Timo Vollbrecht "Fly Magic"

Heute war Timo Vollbrecht mit seinem Projekt "Fly Magic" im Forum Gestaltung zu hören. Ein hochkonzentriertes Spiel von vier bestens aufeinander eingestimmten Musikern. Für mich eine Entdeckung.

Timo Vollbrecht (sax)
Keisuke Matsuno (g)
Elias Stemeseder (p, synths)
Dayeon Seok (perc)

Die Musik der Band beginnt mit sanften Tönen aus Timo Vollbrechts Saxophon und leisen Gitarrenriffs von Keisuke Matsuno. Ab und zu sind dazu einzelne Töne zu hören, also ob jemand eine Melodie pfeift. Klangeffekte aus Emil Stemeseders Synthesizer, der auf dem Flügel steht. Später, bei einem langen Pianosolo, zeigt er, dass er nicht nur die Elektronik, sondern auch die Tasten des Flügels beherrscht. Dayeon Seok spielt im Auftaktstück ihren Schlagzeugpart wie in Zeitlupe gedehnt. Mir kommt es vor wie das, was ein Rock-Schlagzeuger als kräftiges Solo spielt, nur dass sie mit Ihren Stöcken in der selben Abfolge nacheinander ihre Drums und Becken schlägt, aber eben nicht leichthin und in hohem Tempo, sondern voller Konzentration hier und da und dort hinlangt. 

Nach diesem zurückhaltenden Beginn findet die Band in einem Fusionsound zusammen, bei dem das Saxophon im Vordergrund steht. Insgesamt ist die Musik so was von ausgewogen, dass eigentlich egal ist, wo die Klänge grad herkommen. Und, um Missverständnissen vorzubeugen: nein, mit „ausgewogen“ meine ich nicht „beliebig“. Die Musik ist immer wieder faszinierend, auch wenn etwa völlig verrückte spacige Effekte hinzukommen, man das Raumschiff gleich abheben zu hören meint. Oder wenn sie ins rockige wechselt, bei „givers an takers“. „So heißt unsere Lieblingsbar in New York, in der nur Rockmusik läuft“, erklärt Timo Vollbrecht den Titel. 

Samstag, 23. Oktober 2021

Vorschau November: Timo Vollbrecht "Fly Magic"

Am Montag dem 15. November um 20 Uhr wird Timo Vollbrecht mit seinem Projekt "Fly Magic" im Forum Gestaltung zu hören sein.

Timo Vollbrecht (sax)
Keisuke Matsuno (g)
Elias Stemeseder (p, synths)
Dayeon Seok (perc)

Hört man in das Video rein, so erwartet uns diesmal Musik, die eher in Richtung Jazz-Rock geht. Virtuos gespielt, mit einem Zauberer an den Gitarren, kräftigen Beats und swingendem Saxophon.

Aus der Ankündigung:

Im Gegensatz zu einer stereotypen Jazz-Besetzung betrachten sich die vier Musiker als ein formbares Kollektiv, das sich in die Gebiete des zeitgenössischen Jazz, der neuen Musik, des Post-Rocks sowie des instrumentalen Songwritings ausdehnt. Durch diese Einflüsse überschreiten sie die Grenzen des Musikgenres. Gemeinsam erforschen sie eine Vielzahl von Klangfarben durch Orchestrierung wie das Nebeneinander akustischer und elektrischer Instrumente, so kann die Romantik einer lyrischen Melodie durch einen destruktiven Soundeffekt der Gitarre unterbrochen (oder gefärbt) werden. Als Bandleader konzentriert sich Vollbrecht darauf, eine einzigartige kollektive Ästhetik zu schaffen, die den individuellen Ausdruck jedes einzelnen Improvisators in einen größeren Gemeinschaftsgeist einbettet.


Montag, 18. Oktober 2021

Pericopes +1

Pericopes +1: das Jazz-Trio aus Italien begeisterte mit seiner Mixtur aus Wildheit und Harmonie. Magdeburg war zweite Station der gerade begonnenen Tour zur Vorstellung ihrer neuen CD "Up".

Alessandro Sgobbio – Klavier
Emi Vernizzi – Saxophon
Ruben Bellavia – Schlagzeug

"Der Kultur-Hunger scheint ausgebrochen zu sein. Ich bin so glücklich, den Saal voll zu sehen", begrüßte Warnfried Altmann das Magdeburger Jazz-Publikum, und stellte die Band vor als "gelungenes Beispiel, wie man Elektronik und analoge Instrumente verbinden kann". 

Eine solche Verbindung gab es in der Tat, denn aus Alex Sgobbios Korg-Piano und Synthesizer strömen sphärische Klänge, über die Emi Vernizzis warm und klar sein Saxophon spielt. Ruben Bellavias Schlagzeug ist da noch zurückhaltend, und in der Kombination der drei Musiker flutet eine Woge von Klang den Saal. Erst recht als Sgobbio beginnt, das Piano mit vollem Körpereinsatz zu spielen, aufsteht, die Musik nicht nur spielt, sondern diese auch tanzt, sich wie ein Derwisch vor und zurück, auf und ab bewegt. Trotz der Dynamik, die sich auf die Musik überträgt, und trotz der Kraft und Lautstärke bleibt der Sound stets lässig. 

Montag, 20. September 2021

Maria Baptist und Jan von Klewitz

Mit ihrer neuen CD "Facing Duality" kamen Maria Baptist und Jan von Klewitz nach Magdeburg. Wollte man das Konzert mit wenigen Worten beschreiben, so würde es "Klavier und Saxophon in symbiotischer Harmonie" ganz gut treffen. 

Maria Baptist – Klavier, Komposition
Jan von Klewitz – Saxophon

Maria Baptist war bereits 2017 mit ihrem Trio bei Jazz in der Kammer. Schon damals begeisterte ihr kräftiges und akzentuiertes Klavierspiel. Dieser Eindruck sollte sich auch im heutigen Konzert wiederholen. Am Beginn des Konzertes stand das Titelstück der CD, Facing Duality. Mit warmen Tönen spielt Jan von Klewitz sein Altsaxophon, bläst kurze und klare Melodiefragmente, die Maria Baptist mit wenigen breiten Akkorden begleitet. Langsam erst, dann an Tempo zunehmend, wechseln sich beide immer wieder ab in der Melodieführung, fügen die Fragmente zu einem mehrsätzigen Stück zusammen.

Einige der Titel haben Balladencharakter, etwa "Stillness speaks". Hier gibt das Klavier das Thema vor, das Saxophon kommt später hinzu und aus dem Zusammenspiel entwickelt sich ein großer Klang, Musik voller Gefühl. Am Ende scheint es ein Herantasten an die im Titel stehende Stille zu sein.

Freitag, 25. Juni 2021

Vorschau September: The John Betsch Society

Am Montag dem 20. September 2021 geht es nach der Sommerpause weiter bei Jazz in der Kammer. Dann steht The John Betsch Society auf der Magdeburger Jazz-Bühne.

Hermann Martlreiter (ts)
Jobic le Masson (p)
Peter Giron (b)
John Betsch (perc)

Hört man in das untenstehende Video (und weitere aus derselben CD) rein, welches in der Jahresübersicht von Jazz in der Kammer verlinkt ist, dann entfaltet sich da eine kraftvolle und sehr fröhliche Musik, die von einem scheinbar unbändigen Saxophon dominiert wird. Und natürlich vom Rhythmus des amerikanischen Schlagzeugers. Musik die mit so vielen unterschiedlichen Facetten daherkommt, dass sie beinahe schon in die Kategorie "Weltmusik" fällt. Da die CD jedoch bereits von 1974 stammt, bin ich gespannt, welche Musik John Betsch jetzt mit nach Magdeburg bringt. 

Übrigens ist das Konzert das fünfte Jubiläum von Jazz in der Kammer am neuen Veranstaltungsort, dem Forum Gestaltung Magdeburg. Im Juni 2016 musste Jazz in der Kammer Abschied vom Schauspielhaus, den früheren Kammerspielen Magdeburg (die der Reihe einst den Namen gaben) nehmen und fand im September 2016 eine neue Heimat im Forum Gestaltung. Blickt man auf die vergangenen 5 Jahre zurück, dann war das eine schöne, eine interessante Zeit für den Jazz in Magdeburg. Jazz in der Kammer ist an seinem neuem zuhause schon lange angekommen. Und hat sein Publikum mitgenommen.




Montag, 21. Juni 2021

Phillip Dornbuschs "Projektor"

Heute war Tenor-Saxophonist Phillip Dornbusch mit seinem "Projektor" zu Gast im Forum Gestaltung. 
Phillip Dornbusch (sax, cl, perc)
Johanna Summer (p)
Johannes Mann (g)
Roger Kintopf (b)
Philip Dornbusch (perc)

An der Musik der Band um den Saxophonisten Phillip Dornbusch begeistert die Kraft, die von der Musik ausgeht ebenso wie an leiseren Stellen die Melodiosität: wilde Improvisiertheit geht mit innerer Struktur einher. Grad das richtige für mich, um mich nach einem stressigen Tag der Musik hinzugeben, mich davon auffangen zu lassen. 

Bestimmt werden die Klänge von Dornbuschs Saxophon, dessen Dynamik von den anderen Musikern aufgegriffen wird. Johannes Mann liefert mal heftige Gitarrenriffs, mal leise und konzentrierte einzelne Töne, die auf leise hingehauchte Windgeräusche des Sax reagieren. Interessant auch, wenn Roger Kintopf am Bass und Phillip Dornbusch unisono spielen, mit langsamen und tiefen Borduntönen eine Basis für die später hinzukommenden perlenden Klaviertöne von Johanna Summer liefern.

Samstag, 22. Mai 2021

Vorschau Juni: Phillip Dornbuschs Projektor

Wenn die Veranstaltung live stattfinden darf, dann gibt es das nächste mal Jazz in der Kammer genau am Sommeranfang. Am Montag, dem 21. Juni um 20 Uhr ist Tenor-Saxophonist Phillip Dornbusch mit seinem "Projektor" zu Gast im Forum Gestaltung. 

Phillipp Dornbusch (sax, cl, perc)
Johanna Summer (p)
Johannes Mann (g)
Roger Kintopf (b)
Philip Dornbusch (perc)

Eine Vorschau gibt es im Youtube-Video:


Hört man in die Tonbeispiele hinein, so verspricht der Abend interessant zu werden, mit Musik die von Saxophon ebenso geprägt ist wie vom E-Piano und E-Gitarre, mit eher leisen Tönen, die einen in sich stimmigen, harmonischen Klang ergeben und mit Musikern, die einander viel Zeit lassen, die Instrumente zum Singen zu bringen. Ich freue mich drauf!

Aus der Ankündigung: 

Die Corona-Krise geht zurzeit nicht gerade pfleglich mit der Kultur um. Zum zweiten Mal eine Vollbremsung, was nicht wenige der Betroffenen sogar an ihrer Daseinsberechtigung zweifeln lassen. Die ewige Relevanzdiskussion beschäftigt gerade solche, die sich in der Schublade „Jazz“ eingeordnet haben. Phillip Dornbuschs Rezept dagegen ist so simpel wie naheliegend: die Welt einfach ein kleines Stückchen besser zu machen. „Ich möchte mit meiner Musik bestimmte Probleme ins Bewusstsein rufen“, erklärt der 26-jährige Tenorsaxofonist seinen eingeschlagenen Weg. „ ́Mouning` zum Beispiel habe ich geschrieben, als im Juli 2019 das Schiff „Sea-Watch 3“ mit all den Flüchtlingen in Italien festgesetzt wurde. „Das hat mich sehr bewegt, und aus diesen Gefühlen heraus ist das Stück entstanden.“

Wenn Dornbusch spielt, dann tut er dies nicht unbedingt nach Schema F. Seine Maximen lauten: experimentieren, ausprobieren, tunlichst Wiederholungen vermeiden. „Da bin ich viel zu untheoretisch. Ich schreibe lieber aus Stimmungen heraus.“ Weniger Noten. Einfach vom Gefühl und der Tagesform treiben lassen. So kommt es vor, dass ein und dasselbe Stück regelmäßig anders klingt, in Tonart, Rhythmus und harmonischen Variationen.

Mittwoch, 12. Mai 2021

Jürgen Friedrich Large Ensemble – Semisong

Heute gab es bei Jazz in der Kammer ein mehrfach außergewöhnliches Konzert: seit Monaten der coronabedingten Schließung aller Kultur (von der Jazz in der Kammer ebenso betroffen war wie die Magdeburger Jazztage) gab es endlich wieder live-Musik. Aber in einer ungewöhnlichen Form: zwar Live, aber nur im Stream zu erleben. Ebenfalls ungewöhnlich: das Konzert, über das Ihr hier etwas lest, könnt Ihr parallel auf Youtube nachhören. Also beinahe live: virtuell live. Dass der Konzerttermin völlig außerhalb der gewohnten Reihe lag, am zweiten Mittwoch statt am dritten Montag des Monats hat da eher nur anekdotischen Charakter.

Pablo Held (p)
David Helm (b)
Fabian Arends (perc)

Johannes Ludwig (sax)
Leo Huhn (sax, Live-Elektronik)
Sebastian Gille (sax)
Uli Kempendorff (sax)
Steffen Schorn (sax)
 
Chris Mehler (trp)
Bastian Stein (trp)
John-Dennis Renken (trp, Live-Elektronik)
Matthias Bergmann (trp)
 
Nils Wogram (pos)
Shannon Barnett (pos)
Moritz Wesp (pos)
Jan Schreiner (pos)
 
Jürgen Friedrich (comp, leader)

Als Norbert Pohlmann und Warnfried Altmann für eine kurze Begrüßung des Online-Publikums und eine Anmoderation nach vorn kamen, war ihnen die Freude über das Konzert anzumerken. Schließlich war es die erste Veranstaltung der Jazz-Reihe seit mehr als einem halben Jahr Veranstaltungsverbot (das letzte Konzert fand im Oktober 2020 statt, vor 7 Monaten). Aber, wie Norbert Pohlmann sagte: "Corona. diese Naturgewalt, wird es nicht schaffen, so wichtiges wie die Kultur zu zerstören." Er bezeichnete das komplette Konzert als außergewöhnlich. Schon dass es überhaupt zustande kam, dass die Band nach Magdeburg kommen und spielen konnte war alles andere als selbstverständlich.  Und Warnfried Altmann fühlte sich "überglücklich" und wies darauf hin "in einer Gesellschaft voller Angst ist diese lebendige Musik etwas, was wir so sehr brauchen". 

Am Beginn des Konzertes ("Infra Blue") war nur eine langsame Bass-Melodie zu hören, die allmählich von Posaune und Saxophon aufgenommen wurde, dann kamen Klavier und Flöte hinzu. Ruhig wie am Beginn bleibt es nicht lange, schon bald ergibt sich ein dissonantes Gewirr der Bläserstimmen, aus dem sich nach und nach wieder die ursprüngliche Melodie herausbildet.