Samstag, 27. November 2021

Offbeat: Jazzrock Kollektiv Magdeburg feat. Łukasz Pawlik

Rock, Blues, Fusion – all das steckte in der Musik des Jazzrock Kollektiv Magdeburg zum Abschluss des Offbeat Jazzfestes im Gesellschaftshaus Magdeburg.

Stephan van Briel – Gitarre
Łukasz Pawlik
– Klavier
Mohi Buschendorf
– Bass
Peter Fleckenstein
– Schlagzeug

Das Jazzrockkollektiv hatte sich den Pianisten Łukasz Pawlik hinzugeholt und er gab dem Konzert dann auch eine besondere Note. Da klingen schon mal aus dem E-Piano asiatisch anmutende Klänge, aus denen die Band dann Fusionklänge formt, die von kräftigen Tönen des Flügels abgelöst werden, zu dem sich Pawlik hingewendet hat. 

Stephan van Briel spielt eine leise, melodische Gitarrenballade, zu der Mohi Buschendorf später einen kräftigen Bass und Łukasz Pawlik eine zurückhaltende Klavierbegleitung hinzufügt. Etwas später spricht Stephan van Briel spricht über Jimmi Hendrix und John Coltrane: "die beiden werden wir jetzt in einem coolen Arrangement zusammenbringen". Fusion im doppelten Sinn, Blues wechselt mit Rock, elektronisch verzerrte Gitarre wird zum "Geburtstagsständchen für Jimmi Hendrix" (der exakt am 27. November 1942 geboren wurde). 

Offbeat: Benjamin Ulrich Trio feat. Alexander Wienand

Ein Jazz-Klaviertrio in klassischer Besetzung gab den Auftakt zum zweiten Teil des Offbeat Jazzfestes. Eine Mischung aus schnellem Blues und sinnlichen Klavierstücken.

Benjamin Ulrich – Schlagzeug
Alexander Wienand – Klavier
Lars Düseler – Bass 

Das Trio beginnt zum Einstieg mit locker dahingespielten Klavierklängen und swingenden Melodien. Etwas später erklingt für einen Jazzabend ungewohntes: Alexander moderiert das nächste Stück (Mozart Paraphrase 3) an, setzt sich an den Flügel, spielt erst den Beginn von Mozarts D-Moll-Sonate, anschließend von Bachs Wohltemperierten Klavier und sagt dazu: "dies nur vorab, damit Sie nachher die Chance haben, das wahrzunehmen". Tatsächlich hört man aus der Musik der Band dann die Struktur dieser klassischern Stücke heraus. 

Andere Stücke basierten auf bekannten Poptiteln. So wie "Here comes the sun", etwas schwungvoller und frischer als das Original der Beatles. And it's alright, little Darling, yeah! Ein weiteres Stück schrieb Bandleader Benjamin Ulrich für Lars Düseler. "Ich liebe Bass-Themen, es ist aber manchmal gar nicht so einfach das hinzubekommen". Ein musikalisches Zwiegespräch zwischen Klavier und dem tief brummenden akustischen Bass. Erst später kommt Ulrich hinzu, die Trommeln nur leise mit den Besen gestrichen (mich erinnerte diese zurückhaltende melodische Musik an Vince Guaraldi). 

Freitag, 26. November 2021

Offbeat: Thomas Walter Maria & Kapelle

Thomas Walter Maria und seine Kapelle könnte man auch gut als "Mini-Big-Band" bezeichnen, so kräftig und schwungvoll wie die wirklich nur fünf Musiker spielten.

Thomas Walter Maria – Saxophon, Flöte, Gesang
Marius Moritz – Klavier
Markus Hensel – Posaune
Mohi Buschendorf – Bass
Ludwig Buschendorf – Schlagzeug

"Wir nehmen Sie mit auf eine musikalische Zeitreise, von den 1920er Jahren bis heute", sagte Thomas Walter Maria zu Beginn des Konzertes. Aber erst jetzt wo ich das schreibe wird mir bewusst dass es ja tatsächlich nun schon fast 100 Jahre her ist, das Songs wie Puttin on the Ritz entstanden. Gespielt und gesungen wie in einer der Bars aus dem Berlin der 1920er Jahre (und da ich noch nicht so alt bin: jedenfalls so wie ich mir das vorstelle). 

Nicht nur eine Zeitreise ist zu erleben, sondern auch eine Fahrt durch die Stile des Jazz. B-Bop, Swing, Musik aus dem Jame-Bond-Film "You only live twice" von 1967 – in einer Samba-Bossa-Nova-Version, die sich so schwungvoll vom Original entfernt, dass es eine Freude hat. Etwas funkiges aus den 70ern. Für die 80er steht "sweet dreams" von den Eurythmics, schon deshalb so interessant weil die Stimme so anders als im Original ist, dazu noch die spezielle jazzige Interpretation, toll! Für die 70er dann "Paquito", eine Hommage an den kubanischen Saxophonisten Paquito d'Rivera.

Offbeat: Marius Moritz

Im zweiten Set des Abends kam Marius Moritz solo auf die Bühne. Konzertrierte Klavierklänge mit Anklängen an minimal music.

Am großen Flügel des Magdeburger Gesellschaftshauses sitzend, beginnt er mit leisen Melodien über einer ruhigen Basslinie. Ruhige Musik, die mit wenigen Tönen auskommt. Schwer zu beschreiben und zugleich faszinierend. Jedenfalls stellt sich im Saal sofort eine konzentrierte Ruhe ein. Allmählich werden die scheinbar gleich wiederholten Tonfolgen kräftiger, das Spiel lebhafter. "Auszüge aus meinen Solo-Alben", wie er später sagt. Als nächstes ein Stück von Erwin Schulhoff, einem mir bis dahin nicht bekannten Komponisten der Neuen Musik. Marius Moritz spielt einen von dessen "Reigen" in einer jazzigen Form. 

Einige weitere Kompositionen von Moritz erinnen mich teilweise an Stücke von Johann Sebastian Bach (so seine "Etüde Nr. 12"), andere mit sich ständig wiederholenden Tonfolgen an minimal music. Marius Moritz' ruhige Musik stellte einen wohltuenden Kontrast zu den anderen beiden Teilen des Offbeat-Abends dar. 

Übrigens schließ sich an dieser Stelle der Bogen zu Jazz in der Kammer: im Juni 2019 war Marius Moritz dort mit seinem Projekt "Sonore Wandbehänge" zu hören, mit Kompositionen von Eric Satie.

Offbeat: Be-Swingt

Lieder in jazziger Form und Instrumentals standen am Beginn des Offbeat Jazzfestes im Magdeburger Gesellschaftshaus. So groß ist die Jazz-Szene in Magdeburg nicht, man kennt sich, tritt auch mal jenseits der gewohnten Pfade miteinander auf. Oliver Vogt und Ulrike Nocker sind in Magdeburg bekannt, Warnfried Altmann auch, nur zusammen habe ich sie das erste mal erleben können.

Oliver Vogt – Piano
Ulrike Nocker – Gesang
Warnfried Altmann – Saxophon
Matti Philipp – Schlagzeug

Der Abend beginnt mit einem swingenden Instrumental. Anschließend kommt Ulrike Nocker auf die Bühne, singt mit kräftiger Jazz-Stimme in Interaktion mit Warnfried Altmanns kräftigem Saxophon. "Du bist der Mondmann", singt sie, "wenn ich Dich brauch machst Du Dich dünn". Es ein wenig ungewohnt, wenn man Altmanns sonst eher dem Freejazz zugewandtes Spiel kennt, und ihn nun als Sideman einer Swing-Jazz-Tanzkapelle auf der Bühne steht. Aber es passt auf eine natürliche Art zusammen. Oliver Vogt erklärt auch warum: "Warnfried haben schon vor 37 Jahren gemeinsam Musik gemacht". Und sagt als Anmoderation des nächsten Stücks ("Medjaroo") zu Altmann: "vor langer Zeit hast Du uns mal ein Stück geschrieben und das spielen wir jetzt gemeinsam". Zu Vogts leisen Synthieklängen spielt Altmann lange Melodiebögen und ist da wieder in seinem improvisierenden Element. Zusammen klingt es wie eine Mischung aus osteuropäischem Klavier und jazzigem Saxophon. 

Eröffnung des Offbeat-Jazzfestes

Das Offbeat-Jazzfest entstand nach einer Idee des Gesellschaftshauses, erklärte Norbert Pohlmann bei der Eröffnung des ersten Abends. "Wir haben Jazz in der Kammer bei uns im Forum Gestaltung", sagte er, "wir haben gemeinsam mit dem Gesellschaftshaus  die Magdeburger Jazztage im April, die diesmal ausfallen mussten, und nun machen wir im Winter ein Termin für ein neues Jazzfest". 

Dieses fiel nun ausgerechnet in die Zeit der sich grad wieder verstärkenden Corona-Pandemie. "Wir haben den ganzen Tag gewartet, ob noch ein Anruf mit einem Verbot kommt, aber wir dürfen spielen und setzen Corona nun ein kräftiges ''off beat!' entgegen. Und bleiben dabei doch verantwortungsbewusst". So war es auch, denn am Eingang musste jeder einen Test oder den Impfnachweis vorzeigen (für die Leser in späteren Zeiten: dafür gab es damals die Abkürzung 3G = "geimpft, genesen oder getestet"). So konnten sich Publikum und Musiker sicher fühlen. Einer Hoffnung gab Norbert Pohlman auch Ausdruck: "Wenn wir sagen Offbeat statt Lockdown, dann hoffen wir auch, dass wir nicht als letzte Kulturveranstaltung in die Geschichte eingehen".

Stephan van Briel (links) und Norbert Pohlmann
bei der Eröffnung des Offbeat.

Nach der Eröffnung sagte Stephan van Briel noch etwas zur Musik und zur Zusammenstellung der Bands. Zu denen er dann am zweiten Tag auch gehören sollte, mit dem Jazzrock-Kollektiv Magdeburg. 

Das Offbeat gehört genaugenommen nicht in den Jazz-in-der-Kammer-Blog. Aber irgendwie auch doch – denn so groß ist die Jazz-Szene in Magdeburg nicht, tritt auch mal jenseits der gewohnten Pfade miteinander auf. Die geneigte Leserschaft des Blogs wird es schon richtig einordnen können. Zur Idee des Offbeat sagte mir Carsten Geerth später noch: "Wir wollen das Gesellschaftshaus auch für andere Musikformen als Klassik öffnen und sehen das zum anderen auch als Ergänzung zu Jazz-Formaten, wie sie zum Beispiel Jazz in der Kammer bietet." Dem Publikum zufolge scheint das angekommen zu sein.

Vorschau Dezember: Ruf der Heimat

Darf man aktuell überhaupt noch auf Konzerte hinweisen? Vielleicht muss man das sogar umso mehr - und dann hoffen, dass Vorschriften keinen Strich durch die Rechnung machen. Also: am Montag dem 20. Dezember um 20 Uhr heißt es bei Jazz in der Kammer: "Ruf der Heimat".

Thomas Borgmann – Tenor- & Sopransaxophon, Flute
Christof Thewes – Posaune
Jan Roder – Bass
Willi Kellers – Schlagzeug

Aus der Ankündigung:

Tradition erhält sich durch beständige Erneuerung: seit 1993 besteht dieses Spitzenquartett, und folgt dem Ruf des Jazz, indem es diesen als eine selbstverständliche Weiterentwicklung der in ihm angelegten Prinzipien von Improvisation und Spontaneität versteht.

Zur Stammbesetzung mit Thomas Borgmann und Willi Kellers kommen Christof Thewes und neuerdings Jan Roder hinzu. So wird diese Musik durch die Weitergabe an die mittlere Generation weiterentwickelt, in welcher sich Einflüsse und musikalische Erfahrungen aus einem längerem Zeitraum verbinden.

Das melodiöse Spiel von Thomas Borgmann, eingebunden in einen erdigen Sound, bewirkt, dass man sich bei dieser Musik sofort in der Welt des Jazz zu Hause fühlt, eine Welt, in der es allerdings auch manchmal zirpt und quietscht, rasselt. Dazu trägt nicht zuletzt auch Willi Kellers bei, „der zweitbeste Schlagzeuger der Welt, gleich nach Ed Blackwell“.

Die Heimat, die hier ruft, ist kein nostalgisches Klischee, sondern eine lebendige Erfahrung, gespeist von den Quellen des Free Jazz und auch dessen spezifischer Anverwandlung in der deutschen Jazzszene. Auch hier verbindet sich die Vergangenheit mit der Zukunft und liefert einen weiteren Beleg für die Lebendigkeit dieser Musik.

Drei der Musiker habe ich bei Jazz in der Kammer bereits in anderen Besetzungen gehört (in der Namensliste rechts sind sie zu finden). Ich bin gespannt auf das Konzert. Einen Vorgeschmack gibt es bei Youtube: 

Den aktuellen Vorschriften nach kann das Konzert im "2G"-Modus stattfinden (nur für geimpfte/genesene). Bringt also bitte die entsprechenden Nachweise mit.

Montag, 15. November 2021

Timo Vollbrecht "Fly Magic"

Heute war Timo Vollbrecht mit seinem Projekt "Fly Magic" im Forum Gestaltung zu hören. Ein hochkonzentriertes Spiel von vier bestens aufeinander eingestimmten Musikern. Für mich eine Entdeckung.

Timo Vollbrecht (sax)
Keisuke Matsuno (g)
Elias Stemeseder (p, synths)
Dayeon Seok (perc)

Die Musik der Band beginnt mit sanften Tönen aus Timo Vollbrechts Saxophon und leisen Gitarrenriffs von Keisuke Matsuno. Ab und zu sind dazu einzelne Töne zu hören, also ob jemand eine Melodie pfeift. Klangeffekte aus Emil Stemeseders Synthesizer, der auf dem Flügel steht. Später, bei einem langen Pianosolo, zeigt er, dass er nicht nur die Elektronik, sondern auch die Tasten des Flügels beherrscht. Dayeon Seok spielt im Auftaktstück ihren Schlagzeugpart wie in Zeitlupe gedehnt. Mir kommt es vor wie das, was ein Rock-Schlagzeuger als kräftiges Solo spielt, nur dass sie mit Ihren Stöcken in der selben Abfolge nacheinander ihre Drums und Becken schlägt, aber eben nicht leichthin und in hohem Tempo, sondern voller Konzentration hier und da und dort hinlangt. 

Nach diesem zurückhaltenden Beginn findet die Band in einem Fusionsound zusammen, bei dem das Saxophon im Vordergrund steht. Insgesamt ist die Musik so was von ausgewogen, dass eigentlich egal ist, wo die Klänge grad herkommen. Und, um Missverständnissen vorzubeugen: nein, mit „ausgewogen“ meine ich nicht „beliebig“. Die Musik ist immer wieder faszinierend, auch wenn etwa völlig verrückte spacige Effekte hinzukommen, man das Raumschiff gleich abheben zu hören meint. Oder wenn sie ins rockige wechselt, bei „givers an takers“. „So heißt unsere Lieblingsbar in New York, in der nur Rockmusik läuft“, erklärt Timo Vollbrecht den Titel.