Das Kathrin-Lemke-Quartett, mit
Kathrin Lemke – Saxophon
Niko Meinhold – Piano
Vitold Rek – Kontrabass
Michael Griener – Schlagzeug
Mit ihrem Projekt „My Personal Heimat“ wendet sich die Berliner Saxophonistin Kathrin Lemke thematisch Liedern zu, wie sie wohl jeder in Deutschland aufgewachsene kennt und die sie als ihre "musikalische Heimat" bezeichnet. Musik, mit der sie aufgewachsen ist. Lieder
zwischen deutschem Liedgut und Schlager – nicht alles davon muß man mögen, entziehen kann man sich dem aber nicht. Kathrin Lemke gelingt es dabei, sich mit dieser Musik auf eine faszinierende Art auseinanderzusetzen, die Melodien aufzunehmen, neu zu interpretieren, ins unerkennbare zu verfremden und dabei doch immer wieder Teile der Melodien durchblitzen zu lassen. Das alles mit einer unbändigen Spielfreude, daß es Spaß macht, selbst Schlager wie Tschingiskhan oder die Schlümpfe zu hören. Unterstützt wird sie dabei von ihrem Quartet; allesamt gleichfalls geniale Musiker, die ihre Ideen mittragen und wild drauflos spielen. Da rast dann schon mal Tschingis Khans Reiterhorde durch's Theaterfoyer, angetrieben von Michael Griener am Schlagzeug und Niko Meinhold am Klavier, begleitet von Vitold Rek am Baß: "He Reiter - Ho Reiter - Immer weiter!".
Dabei müssen es nicht immer Schlager gewesen sein, die Kathrin Lemke musikalisch prägten. Gleich das nächste Stück, Mendelsson-Bartholdys "Abschied vom Wald" kam ganz romantisch daher, wurde dann aber gleichfalls musikalisch gebrochen und in Klänge weit abseits aller Romanik überführt – oh Täler weit, oh Höhen war nur noch zu erahnen. Bei "kein schöner Land in dieser Zeit" spielen die Musiker mit Rhytmusverschiebungen, die aus dem sehr bekannten Volkslied ein musikalisches Puzzle werden lassen.
Das Stück, daß mir am intensivsten in Erinnerung blieb und noch lange nachklang, war die Interpretation von Ernst Buschs Lied von der "Schlacht von Jarama". Kathrin Lemke sagte dazu "man braucht keinen Text, um es zu verstehen", und in der Tat war die sich steigernde Intensität der Schlacht inklusive Kanonendonner musikalisch erkennbar (besser noch als im Original, das man sich auf Youtube anhören kann).
Dann aber wurde es auch wieder lustiger, etwa wenn der Soundtrack von Käptn Future erklang und Hollywood-Athmosphäre verbreitete oder bei Vater Abrahams Schlümpfen. Natürlich hätte es dann im Songtext heißen müssen "der Saxophon-Schlumpf fängt an". Ebenso bei "Ich wünsch' mir eine Miezekatze für mein Wochenendhaus", gesungen von Wum. (Was viele wohl nicht mehr wissen: Loriot stand damit Ende 1972 neun Wochen lang an der Spitze der deutschen Hitparade).
Der Bänkelgesang "Bolle reiste einst zu Pfingsten" wurde dann nochmal zum irrwitzigen Durcheinander, bei dem die Musiker des Quartetts alle Register zogen. Kathrin Lemke ließ sie über lange Strecken wild drauf los improvisieren, und wenn sie in ihrer Anmoderation über das Stück sagte, daß "Bolles Sonntagsausflug im Chaos endet", so war das sehr schön auch in der Musik hörbar. Ich habe mich "dennoch ganz köstlich amüsiert".
Am Ende des Abends stand als Zugabe "Abendstille überall", von den vier Musikern als Kanon gespielt und in seiner ruhigen Art ein Kontrast zur vorher lauten und wilden Musik. Eine ungewohnte und sicher nicht einfache Interpretation, vom Quartet perfekt mehrstimmig umgesetzt. Das Magdeburger Publikum war vom Konzert begeistert und hätte gern noch mehr gewollt. Für mich war dieses ruhige Stück jedoch ein so passender Abschluss des Konzertes, daß danach nichts mehr hätte kommen können.