Am Sonnabend gab es bei den Magdeburger Jazztagen den Klavierabend. Eröffnet wurde er von der japanischen Pianistin Aki Takase.
Wenn Warnfried Altmann in seiner Anmoderation sagt, "wer sie einmal gehört hat, vergißt sie nicht", dann möchte man hinzufügen, "wer sie einmal erlebt hat, auch nicht". Aki Takase, die zierliche Frau im schwarzen Kleid, betritt die Bühne, setzt sich ans Klavier und – so viel Kraft hätte man ihr gar nicht zugetraut – zeigt gleich zu Beginn, wo ihre Musik hingeht: sie spielt das Klavier auf eine so kräftige, temperamentvoll und klare Weise, dass es eine Freude hat. Die Finger fliegen nur so über die Tasten, leicht und zugleich mit einem vollen, scharfen Anschlag. Wenn Aki Takase spielt, dann mit vollem Körpereinsatz. Dazu gehören nicht nur die Finger und Hände, die sie schon mal als Fäuste auf die Tasten niedersausen läßt. Auch die Füße, die auf dem Bühnenboden den Rhythmus treten, stampfen. Wenn sie so am Klavier sitzt, dann scheint sie die Physik zu überwinden. Geschwindigkeit und Kraft zugleich, bei ihr geht das. Wie macht man das mit fast siebzig Jahren, wie bereitet sie sich vor, will ich nach dem Konzert wissen. "Körperlich muß man fit sein", sagt sie, "aber vor allem hier – und deutet auf ihren Kopf – muß es stimmen. Denn Musik kommt aus dem Kopf, nicht aus dem Körper".
Für eines ihrer Stücke läßt sich Aki Takase von der Erzählung eines japanischen Schriftstellers inspirieren. Kirschblüten sorgen für einen gefühlvollen, leisen Beginn. Dieser wird abgelöst von kräftigen, rhythmischen Dreierfolgen von Akkorden: Ein wahrer Sturmwind, der durch die Kirschbäume fegt, ihre Blüten mit sich nehmend. Dann, leiser werdend, klingt das Stück in einem leisen Frühlingswind aus. Bei Aki Takases Klavierspiel sitzt man da und staunt. Und hört. Und genießt.
Zwei Stücke von Thelonius Monk spielt Aki Takase mit präpariertem Klavier. Metallplatten und Schrauben auf den Saiten verzerren den Klang, lassen es irritierend anders, lassen es wie ein Kinder-Instrument klingen. Takase beugt sich über das Instrument, zupft die Saiten von Hand, schlägt sie aber auch mit den Tasten an. Eine Spielweise, bei der jeder Anschlag sitzt.
Zu ihrem nächsten Stück sagt sie "ich spiele classics, the Morlocks". Was dann zu hören ist, ist aber nicht etwa klassische Musik, sind keine sanften Klänge. Schon der erste Ton – Aki Takase schlägt die rechte Hand mit ganzer Kraft auf die Tasten – ist so unvermittelt laut und heftig, daß es in den Ohren schmerzt. Faszinierend, wie sie dem Klavier einen Maschinenlärm entlockt, der durchaus als Filmmusik zu Metropolis passen würde, der hier aber von den Morlocks in den unterirdischen Höhlen aus H. G. Wells "Zeitmaschine" kommt.
Zum Ende ihres Konzertes zeigt Aki Takase, daß sie auch die leisen Töne beherrscht. Sie legt ihrer Musik ein Zitat des Schriftstellers Yamata Tamoko zugrunde ("Nur da wo Du bist, ist nichts") und beginnt im Stil einer klassischen Sonate, mit Anklängen an spanische Musik, zart und romantisch.
Bleibt nur noch hinzuzufügen, daß Aki Takase auch das Titelstück ihrer 1986 in der DDR bei Amiga erschienen LP Perdido in ihrem Programm hatte. Eine Platte, die auch in meiner Plattensammlung zu finden ist. Dass ich Aki Takase aber einmal selbst live hören werde, hätte ich 1986 nicht gedacht.
Fotos 2 und 3: ©Thomas Hohlbein
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