Montag, 20. Februar 2023

Der Dritte Stand

Der Dritte Stand experimentierte mit Tönen und Stimmungen – dabei entstanden faszinierende Sounds, die nur eines nicht zuließen: in gängige Standards eingeordnet zu werden.

Matthias Müller – Posaune
Matthias Bauer – Kontrabass
Rudi Fischerlehner – Schlagzeug

Dass der Dritte Stand kein Jazz-Trio der konventionellen Art ist, mit einem Front-Instrument und Begleitung von Bass und Schlagzeug, das hört man von Anfang an. Dabei beginnen die drei Musiker das Konzert sehr ruhig, Matthias Bauer lässt seinen Bass leise singen, durch Ziehen an den Saiten die Töne verzerrend, Matthias Müller lässt anfangs nur Atem- und Ploppgeräusche hören, selbst das Einziehen von Luft durch die Posaune hindurch wird zu Klang. Das alles kommentiert Rudi Fischerlehner mit leisen blechernen Percussionklängen. Erst allmählich nimmt die Musik Fahrt auf, wird lauter, heftiger. Die Posaune trötet los, bis einzelne Töne die Schmerzgrenze erreichen. Auch da bleiben es drei Individualisten, die in einer geheimnisvollen Art miteinander interagieren, scheinbar jeder sein eigenes Ding machend und so doch zu einem gemeinsamen Sound zusammenfindend. 

"So verstehen wir uns auch", sagte Matthias Bauer später, "mit Musik als einer Art Gespräch, bei der ein Diskurs entsteht, so wie wenn man sich auch unterhält". Und wie ist das mit dem experimentellen Eurer Musik? "Ich mag den Begriff experimentelle Musik eigentlich gar nicht so, aber ja, wir experimentieren mit Musik".  

Die beiden Sets werden jeweils ohne erkennbare Pause durchgespielt. So gehen einzelne Teile der Musik ineinander über, die die man inhaltlich doch unterscheiden kann. So treffen ein Stück später spacige Klänge von Rudi Fischerlehners Schlagzeug auf ebensolche von Bass und Posaune, erzeugen eine ungeahnte Klangvielfalt. Und das alles ohne jeden elektronischen Effekt. Einzig der Bass ist an einen Verstärker angeschossen, aber auch nur, um die Lautstärke anzupassen. Der Rest ist rein akustisch. Auch das was Matthias Müller an der Posaune liefert. So wandelbar und experimentell habe ich das Instrument noch nie gehört, etwa wenn Müller seine Posaune mit Plastikbechern statt Dämpfer zum lauten Schnarren bringt. 

War die Musik eben noch hart und laut, so kann sie kurz darauf wieder in die ganz leisen Klänge wechseln. Gestrichene und gerieben Bleche bilden eine mystische Atmosphäre, Matthias Bauer lauscht seinen eigenen leisen Klängen nach und die Posaune klingt langgezogen-düster wie ein Schiffshorn im Nebel. Rudi Fischerlehners anschließendes Schlagzeug-Solo ähnelt in seiner sehr ruhigen und konzentrierten Überlegtheit einem stark verlangsamten Rock-Schlagzeug. Matthias Bauer spielt sein Solo in Form langer Ton-Kaskaden, in der die anderen beiden ein Stückchen später einstimmen. Die Musik der drei ist Freejazz einer sehr frischen Art. Und wenn man die Musik des dritten Standes schon als Klanglabor betrachtet, so ist sie dennoch eher neugieriges Gespräch als synthetische Musik.

Nach dem Konzert fragt einer der Besucher nach Melodien irischer Tänze, die er irgendwo zwischendrin beim Bass gehört hat. "Ja, tatsächlich, das kann gut sein,", bestätigte Bauer, "das entsteht einfach so – wir Musiker sind dann eben doch ein Volk, egal ober Iren oder Deutsche". Ein schönes Statement zum Schluss, dem im Nachhinein betrachtet sogar eine übertragene, viel weiter reichende Bedeutung zukommt. 

Auf der Bandcamp-Seite des Dritten Standes gibt es einige Hörproben. 

Bei der Gelegenheit aber auch gleich der obligatorische Hinweis: hört Euch nicht nur die Konserven an, sondern geht auch in die Konzerte. Gerade Musik wie die von Müller, Bauer und Fischerlehner verdient es, live gehört zu werden. Was in Magdeburg auch zahlreiche Besucher taten. Der kleine Saale des Forum Gestaltung war übrigens so gut besucht wie schon lange nicht, sogar noch ein paar Stühle mussten reingetragen werden.


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