Montag, 17. Dezember 2018

Insomnia Brass Band

Heute war bei Jazz in der Kammer die „Insomnia Brass Band“ zu hören. Die Minimalbesetzung einer Brassband brachte eine Mischung aus Big-Band-Sound und Jazz auf die Bühne
Anke Lucks – Posaune
Almut Schlichting – Baritonsaxophon
Christian Marien – Schlagzeug

Kräftige Trommelwirbel von Christian Marien – dann setzen Posaune und Saxophon ein. Langsam und zurückhaltend erst, bald kräftiger werdend. Wie aus den Tiefen des Untergrunds heraus kommen die Bässe aus Almut Schlichtings Baritonssaxophon, das sie mit vollem Einsatz und rhythmusbetont bläst; etwas höher, aber immer noch tief genug kommen Anke Lucks' Posaunenklänge hinzu. Ungewöhnlich die Rolle des Schlagzeugs: Christian Marien lässt sich in seinen Rhythmen von dem leiten, was die beiden Bläserinnen machen, schaut von einer zur anderen, übernimmt von ihnen Rhythmus und Tempo und setzt das dann in seinem Schlagzeug um. "Ich bin anders als in größeren Bands nicht in eine Rhythmusgruppe eingebunden und habe damit so etwas wie die Carte Blanche", sagte er später dazu. "Ich kann mich zurücknehmen oder auch mein eigenes Ding machen". Zum eigenen Klang des Schlagzeugers gehörte aber auch, kräftig mit dem Bläsersound mitzugehen oder dem Schlagzeug einen beinahe schon melodiösen Klang zu geben.

Dabei entsteht ein jazziger Big-Band-Sound, soweit das "Big" bei drei Musikern nicht ein wenig übertrieben zu sein scheint. Von der Kraft der Musik her jedenfalls spielte es keine Rolle, wie viele Musiker da nun auf der Bühne stehen. Was vor allem zählte, war dieses selbstverständliche miteinander spielen, improvisieren, neues probieren. Es machte Freude, der Band dabei zuzuhören.

Die Titel erhielten Bezeichnungen, die zum Teil bereits an sich schon als Erklärung wirken konnten, zum Teil auch durch Anke Lucks' Moderation erläutert wurden. Titel wie der Gingerbread Resistance Song, Heckenverstecken (mit einander ergänzenden Passagen von Sax und Posaune) oder 100-Morgen-Wald (in dem musikalisch irgendwo Pu der Bär zu stecken scheint), mitunter auch als witzig gemeinte Konterkarierung der Musik, wenn ein Stück (The small five) den kleinen Tieren des Wattenmeers gewidmet ist, in Anspielung auf die bei Safaris gejagten "Big five". Die Musik wiederum klingt dann gar nicht so klein, Posaune und Saxophon tröten mit unbändiger Kraft los. Musik, die auf eine beruhigende Art laut ist, die Gedanken der Zuhörer ganz auf die Klänge lenkt, alles andere vergessen macht. Still bei Dir dann wieder leise und wunderbar harmonisch wie ein Liebeslied, bei dem sich die Melodien von Saxophon und Posaune langsam umkreisen, bis das Saxophon immer kräftiger wird, während Anke Lucks die Posaune ruhig bleibend und beinahe sinfonisch spielt. Im Kontrast dazu das expressiv gespielte in my name. In diese bildlichen  Deutungen der Musik bringt sich auch Christian Marien ein, wenn er im hippo walk seine Trommeln laut wie Taiko-Trommeln schlägt.

Egal ob die Musik vom Schlagzeug mit einem Maschinenrhythmus von 180bpm begleitet wird (down by the river) oder tänzerischen afrikanischen Klängen gleicht (fitting close, was Anke Lucks mit "mir geht's gut" übersetzt), immer ist es Musik, bei der man merkt, dass sie so in Ordnung ist wie sie ist. Dann noch mal beinahe bildlich vorstellbar eine Familienszene, Nein! – Doch! nennt Anke Lucks das Stück und braucht nur darauf zu verweisen, dass sie zwei Töchter hat, dann weiß man sofort, warum die Musik aus so sehr einander widerstrebenden Polen besteht. Und am Ende dann ein Stück mit einem mit großer Klarheit gespielten Saxophon-Solo, in das sich die Posaune wie bei einem Choral mischt. Ein großartiger Konzertabend mit Musik irgendwo zwischen Jazz, Big Band und Dixieland! Eine extra-Anerkennung des Publikums bekam Almut Schlichting, die völlig erkältet auf die Bühne kam, kaum reden konnte und vom Forum Gestaltung mit heißem Tee versorgt wurde, der man das aber nicht anmerkte, sobald sie ihr Saxophon zu spielen begann.


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