Montag, 21. April 2014

Zwei und Frei – Altmann und Naehring

Zwei und Frei
Warnfried Altmann (sax)
Hermann Naehring (perc)




Wie lange schon Warnfried Altmann und Hermann Naehring gemeinsam auf der Bühne stehen? Da mußte Warnfried Altmann selbst etwas überlegen, als er das Konzert anmoderierte. So an die 25 Jahre werden es wohl sein, sagte er. Und in der Zeit liegen wohl auch beinahe ungezählte gemeinsame Konzerte. Auf der Bühne des Schauspielhauses standen sie zuletzt gemeinsam im Jahr 2002, als dort die Live-CD "Gepflügelte Pforte" entstand. 

Auch wenn ich selbst die beiden schon so oft bei unterschiedlichen Anlässen spielen gehört habe, so überrascht doch ihre Musik immer wieder. So ergibt sich aus Sicht eines inzwischen mit ihrer Art zu improvisieren vertrauten Hörers sowohl vertrautes wieder zu hören als auch neue Nuancen zu entdecken.

Bekannt – und fast schon Markenzeichen für Naehring: sein fulminanter Beginn des Konzertes an der großen japanischen Taiko-Trommel. Ein immer kräftiger werdender Wirbel lauter Trommelschläge lassen die Luft vibrieren, der Klang wird nicht nur über die Ohren, sondern auch im Bauch spürbar. In den Trommelwirbel fällt Altmann mit seinem Saxophon ein, gibt dem Tromelklang eine melodische, teils melancholische, teils klagende Komponente.

Als Naehring anschließend zum Schlagzeug wechselt, so geht er nicht einfach auf die anderere Seite der Bühne, sondern er spielt sich mit seinen Trommelstöcken dorthin. Schlägt hier oder dort eines seiner reichlich auf der gesamten Bühne verteilten Percussion-Instrumente, Becken und Gongs an, trommelt verspielt auf dem Geländer der Bühne oder den Marmorsäulen herum und lauscht dem so entstehenden Klang nach. Spaß am Experimentieren mit Tönen und Klängen, das spielerische der Musik ausprobieren, damit ist er in seinem ureigensten Element. Und so laut es vorher war, so leise Töne zaubert er jetzt hervor. Das Publikum lauscht auch den leisen Tönen intensiv und konzentriert, läßt sie bis zu Ende ausklingen. Naehring dabei nicht nur zuzuhören, sondern auch zuzusehen ist faszinierend. Dabei ist das, was da scheinbar leicht daherkommt, tatsächlich ein Spiel voller Konzentration. Und wenn Naehring seine Gongs und Becken mit dem Geigenbogen anstreichte, dann entstehen Töne, die elektronischen Instrumenten wie Theremin oder Trautonium gleichen. So entstehen Klänge, die ebensogut Filmmusik sein könnten, Klänge aus Zeiten, als Regisseure wie Hitchcoock nach ungewohnter Untermalung für ihre Filme suchten.

Überhaupt halten sich die lauten und die dann wieder ganz leisen und zarten Töne die Waage. Wenn etwa Naehring zur Rahmentrommel greift und sie leise spielt, von Altmann ebenso leise begleitet, dann ist das ein ungewohnter Kontrast zu den sonst so kräftigen Klängen der beiden Musiker.

Im Titel des Konzertes, Zwei und Frei, steht schon der Grundgedanke der Musik, die freie Improvisation. Dabei merkt man, wie gut beide aufeinander eingespielt sind. Kurze Blickkontakte, ein unmerkliches Nicken genügen, der Musik eine neue Richtung zu geben. Oder um sich gegenseitig die Führung der Musik zuzuspielen wie Fußballer den Ball. Wie etwa bei ihrem Stück an Saxophon und afrikanischer Trommel, das scheinbar zu einem musikalischen Duell der beiden wird.


Oft kommt die Improvisation aus gegensätzlichen Richtungen daher, Altmann spielt  Töne eines Bach'schen Chorals, tief versunken in die Töne aus seinem Saxophon, während Naehring auf seinen Gongs laute Töne spielt, diese dann aber gleichfalls leise ausklingen läßt.

Ungewohnter Part im Konzert war Altmanns Gesang, als er aus einem Saxophonstück heraus ein Lied von Börries von Münchhausen interpretierte. Das "es liegt etwas auf den Straßen" klang für mich wie ein Lied aus Schuberts Winterreise.

Ebenso spaßig wie spielerisch war dann gegen Ende des Konzertes ein Medley aus gängigen Jazz-Standards und deutschen Volksliedern, bei dem sich Altmann und Naehring gegenseitig immer mehr in die Musik hineinsteigerten.

Ganz ruhig und leise dann die Zugabe, mit Rahmentrommel und Saxophon auf der Bühnentreppe sitzend. 


Das Konzert war ein Fest für die Ohren. Und – man sehe mir das Wortspiel und meine völlig kunstfreie Nachbemerkung zu einem tollen Konzert nach – auch ein Test für die Ohren: das Konzert war bis auf den indischen Tonkrug unverstärkt. Als Techniker denke ich bei solchen Gelegenheiten immer – und wohl nicht zu unrecht – daß dies ungeachtet der eigentlichen Musik auch eine wunderbare Möglichkeit ist, "die Ohren neu zu justieren". Dynamik und Tonumfang liefern alles nötige, von Trommeln nahe der Schmerzgrenze bis zum nahezu unhörbar leisen Rollen von Bällen in einer Blechschale oder von Regentropfen, die in Naehrings Regenmacher gefangen sind, von Klängen aus dem Tonkrug an der unteren bis zum kreischendem Saxophon an der oberen Grenze des Frequenzganges der Ohren.

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