Montag, 19. November 2018

Gratkowski und Tramontana: Instant Songs

Heute war die Bühne von Jazz in der Kammer minimalistisch besetzt, mit nur zwei Bläsern. Die aber hatten es in sich: ein Konzert voller musikalischer Experimente, eine überaus interessante Hör-Erfahrung!
Sebi Tramontana – Posaune
Frank Gratkowski – Saxophon 

Sowohl Posaune als auch Saxophon meint man oft in ihrer vollen Lautstärke zu kennen. Zu meiner Überraschung begann das Konzert aber nicht mit wilden und kräftigen Tönen, sondern ganz sacht, mit kleinen Melodiefetzen, einem leisen Auf und Ab von Tönen aus Frank Gratkowskis Saxophon, die Sebi Tramontana zurückspielte, in gegenseitig allmählich steigender Dynamik. Später dann drönende Klänge aus Gratkowskis Bassklarinette, die eine Art Marschrhythmus bilden, zu dem Tramontanas Posaune zu hören ist, diesmal als Melodiestimme.

An vielen Stellen sind Posaune und Saxophon Percussionsinstrumente, da läßt Sebi Tramontane die Posaune im tiefen Baß schnarren, von ins Mundstück gesprochenen Silben unterbrochen, da schnalzt, zischt und wispert Frank Gratkowski auf seinem Saxophon. Als beide Musiker auch noch ihre Stimmen einsetzen und die instrumentalen Klänge mit gesungenen Worten begleiten, fangen die Grenzen an zu verschmelzen – was ist noch Instrument, was ist Stimme, und überhaupt, was ist Saxophon, was Posaune?

Eine exakte Einordnung der Musik ist nicht einfach (und wohl auch nicht vorgesehen). Das was da auf der Bühne stattfindet, ist eher musikalisches Experiment, ist eher ein Spielen mit Tönen als eine durchkomponierte Musik. Ist auch nicht so sehr Free Jazz, wenngleich wirklich alles frei improvisiert und spontan stattfindet, sondern mehr ein gegenseitiges sich-Ideen-geben, ein Ausloten der Möglichkeiten der Instrumente. So erklärt es im Pausengespräch auch Frank Gratkowski: "es geht uns um erweiterte Spieltechniken auf den Instrumenten, darum, zu ergründen, was auf dem Saxophon und der Posaune alles geht. Für mich ist Komponieren Formen schaffen, und das passiert dann live auf der Bühne. Da ist wirklich nichts vorher abgesprochen und ist jedes mal anderes. 'Instant songs' eben".

Das Probieren findet manchmal auch in sehr ungewohnten Spieltechniken seinen Ausdruck. Etwa wenn Gratkowski in Tramontanas großer Auswahl an Dämpfern einen für sein Saxophon sucht und, als er keinen findet, ein Wasserglas in den Trichter seines Instrumentes steckt. Die Dynamik ihrer Instrumente reizen sie an beiden Enden der Skala aus, wechseln zwischen schreiend lauten Tönen und dem Klappern der Klappen oder Fingerklopfen auf dem Blech, so leise, daß jedes Rascheln im Saal hörbar bleibt. Das Publikum dort lauscht aufmerksam allen Wendungen eines musikalischen Experimentierens, das selbstverständlich und unaufgeregt klingt und Freude macht zuzuhören.  


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