Montag, 18. Juni 2018

Tomlinson – Winckel – Kellers

Heute war das letzte Konzert von Jazz in der Kammer vor der Sommerpause (am 17. September geht es weiter). Zu hören war das Alan-Tomlinson-Trio:
Alan Tomlinson – Posaune
Christoph Winckel – Bass
Willi Kellers – Schlagzeug

Drei Musiker, die mit völliger Wildheit und Experimentierfreude spielten, brachten ein Konzert auf die Bühne, wie es wohl nur live richtig erlebt werden kann. Wer in diesem Satz ein Plädoyer für Konzertbesuch statt CD (die man dann immer noch kaufen kann!) sehen möchte – bitteschön, genauso ist es auch gemeint. Denn das Konzert war Musik, die man beinahe mit allen Sinnen erfahren mußte, die man hören, sehen, fühlen mußte. Und der beste Beweis, daß Musik auch jenseits von exakten Melodien existiert, sich in kräftigen Tönen ausdrücken kann. Großartig!

Der Beginn war noch spielerisch, komödiantisch, ging beinahe ins slapstickhafte, wenn Christoph Winckel seinen Bogen durch die Luft schlug, als wolle er Insekten verscheuchen, während Alan Tomlinson seiner Posaune in einer kindlich-spielerischen Weise leise Töne enlockte, sie auseinander nahm und wieder zusammensetzte, dabei auf den übriggebliebenen Teilen spielend. Willi Kellers trommelt dazu wie beiläufig. Dann plötzlich, laut wie ein Schiffshorn, Die Posaune! Tomlinson ist nun in seinem Element, richtet seine Posaune in alle Richtungen, sendet seine Signale in den Raum, dessen Akustik, Verstärkung und Dämpfung dabei hörbar machend. und als hätten Winckel und Kellers nur darauf gewartet, steigern auch sie Tempo und Lautstärke.

Dann – welch ein Kontrast zur vorhergehenden Wildheit! – plötzlich wieder Ruhe. Kellers spielt auf seinem Balafon sich beständig wiederholende leise Tonfolgen, fügt mit seinen Lippen Vogelstimmen hinzu, zwitschernde Urwaldklänge, die auch die anderen beiden Musiker nur leise und sanft begleiten.

Was die drei Musiker da auf die Bühne bringen, jeden der beiden Sets ohne Pause an einem Stück durch, ist eine unbändige Freude am Experiment, ist ein Ausloten der Möglichkeiten, ist Musik jenseits aller Definitionen. Nichts, was einen Titel hat oder braucht – einfach nur Ton, Klang, Ausdruck, Kraft. Und der Zuhörer? Sitzt da, hört, staunt über die Experimente aus Klängen. Das ist ganz sicher keine Musik für "jedermann", aber so voller interessanter Wendungen, voller irrwitziger Ideen.

 Ohne Zugabe geht es natürlich nicht. Willi Kellers kommt zurück auf die Bühne, hat sein kleines Xylophon dabei, auf dem er eine einfache kleine Melodie in beständiger Folge wiederholend spielt, selbst als er schon an seinem Drumset sitzt. An dieser leisen Melodie hält sich das Ohr noch fest, nimmt sie als Orientierung, als alles ringsum schon im Chaos der lauten Posaunentöne versinkt. Und ein zweites kurzes Stück noch zu Schluß, wieder den bereits  gehörten Urwaldklängen entsprechend, in lautem Crescendo aller Instrumente endend. "Der Einbruch der Zivilisation ins Paradies" wäre mein  Titelvorschlag für dieses letzte kurze Stück.

Wie entsteht solche Musik, wieviel ist davon vorher abgesprochen? "Das ist alles improvisiert", sagt Tomlinson, der in England eine Band in der selben Besetzung hat, der aber auch in der Neuen Musik (dann durchkomponiert) unterwegs ist und daneben auch Musiklehrer ist, Kinder ab acht oder zehn Jahren an der Posaune unterrichtet. "Bei uns im Trio hat jeder seine Ideen", erklärt er, "und die bringen wir so auf die Bühne, hören aufeinander". Bereits bei ihrem Konzert im Jahr 2011 bei Jazz in der Kammer war das begeisternd, und daran hat sich in den letzten sieben Jahren nichts geändert.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen