Montag, 19. September 2016

Paul Brody: Sadawi

Beim ersten Konzert der 27. Spielzeit von Jazz in der Kammer stand Paul Brody mit seinem Projekt Sadawi auf der Bühne des Forum Gestaltung, mit einem Programm, dass sich zwischen Klezmer, Balkan-Klängen und Jazz bewegte. Das Konzert war eingebettet in die Tage der jüdischen Kultur und Geschichte im Forum Gestaltung.
Paul Brody – Trompete/Komposition
Christian Kögel – Guitarre
Christian David – Klarinette/Bassklarinette
Michael Griener – Schlagzeug

Das Konzert beginnt mit ruhigen Klarinettenklängen, in die später Paul Brodys Trompete einsetzt. Anschließend ein zartes musikalisches Zwiegespräch zwischen Christian Davids Baßklarinette und  Christian Kögels elektronischer Gitarre. Wo eben noch Klezmermelodien deutlich vernehmbar waren, gibt es nun Klänge wie aus sphärischen Welten, denen man ihren Ursprung kaum noch anhört. Als Paul Brody hinzukommt, wird die Musik kräftiger, bekommt drive, plötzlich hört man Musik, die in den Clubs der Großstädte entstanden sein könnte. New York oder Berlin, irgendwo, und Brodys Musik mäandert zwischen Großstadt und jüdischen Klezmermelodien. Mal klar erkennbar, wenn Brody mit David im Duo spielt und dieser jüdische Melodien anspielt, mal versteckter, wenn diese Melodien von der Band aufgegriffen und variiert werden.

In einem Stück erinnert Brody an den 1944 im KZ Auschwitz ermordeten Maler Felix Nussbaum. "Ich durfte zur Eröffnung des Neubaus des Felix-Nussbaum-Hauses in Osnabrück spielen", sagte Brody, "und dort sah ich auch ein jugendlich wirkendes Selbstporträt des Malers. Wie die Welt sich doch ändern kann. 1939 noch gemalt und 1944 ermordet. Das ist Schicksal. Wir müssen alle aufpassen".

Daß es neben nachdenklich-ruhigen Klängen auch kräftiger geht, zeigten Brody und David im Anschluss. Laute Klarinette und um wenige Tonschritte parallel versetzte Trompete, kräftig und urban, zwischendurch die Wurzeln der jüdischen Musik durchblicken lassend.

Nach der Pause erläuterte Brody seine musikalischen Hintergründe: "Wir nehmen die Tonleitern und bauen eine Art 'Kontermelodie' dazu, damit können wir uns dann eine Brücke bauen vom Klezmer hin zum Modal Jazz, verbinden uns mit Musik wie von Coltrane, bekommen Groove rein. Und arabische Musik ist dann auch nicht weit weg" (die Klarinette stimmt dabei schon arabische Melodien an und macht die Verwandlung der Stile hörbar). Das ist gelebte Weltmusik im Forum Gestaltung. Es gibt daneben auch Momente, an denen Paul Brody seinen Mitmusikern Raum für eigene Entwicklungen lässt. Wenn er dann aber hinzukommt, dann ist bald wieder die Trompete das bestimmende Element.

Ein weiteres Projekt Paul Brodys beschäftigt sich mit Gedichten von Rose Ausländer. Eines davon, "Mensch aus Versehen", rezitierte er, sich dabei selbst mit der Trompete begleitend. "Ich war einmal ein Hund / der himmlische Hundehüter / warf mich in die Menschenwelt / statt ins Hundereich". Eine Frage nach der eigenen Identität, die auch Paul Brody beschäftigt. Eine großartige Interpretation.

Am Ende des Konzertes führte die Musik in die Welt des Balkan-Jazz. Auch dort hin ist es ausgehend von der Klezmer-Musik nicht weit. Letztlich ist es aber nicht eine genaue Verortung der Musik, die zählt – die Musik an sich ist wichtig. Oder, wie es Paul Brody am Ende des Konzertes sagte, "Musik ist ein guter Platz in der Welt".

Vor der Pause zeigte Brody seine komödiantische Ader:
"Ich wohne schon so lange hier in Deutschland. Aber
ich kanns nicht lassen", sagte er, "And now – the
commercials" (als Hinweis auf die mitgebrachten CDs).

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