Sonntag, 16. Januar 2022

Ein wahres Elend, der verdammte Krieg – Gedenkkonzert zur Zerstörung Magdeburgs

Heute vor 77 Jahren kam der Krieg zurück nach Magdeburg, wurden bei einem Bombenangriff große Teile der Stadt dem Erdboden gleichgemacht. Das Forum Gestaltung erinnerte mit einem Konzert an diesen Tag, seine Opfer und seine Vorgeschichte. 

Warnfried Altmann – Saxophon
Hermann Naehring – Schlagwerk, Percussion
Mahamad Isaa – Rezitation
Norbert Pohlmann – Filmcollage, Übersetzung, Rezitation

Norbert Pohlmann fragte angesichts der bis heute an jedem Tag irgendwo auf der Welt stattfindenden Kriege zu Beginn des Konzertes ins Publikum und auch sich selbst "hat es noch Sinn, Jahr für Jahr in sich wiederholender Form an diesen Tag zu erinnern?". Und lieferte auch die Antwort, über die er mit Mohamad Issa zuvor nachdachte. "Ich bin mir etwas weniger sicher, er mehr". Mohamad Issa, der vor dem Krieg in seiner syrischen Heimat floh, hat den direkten Bezug zu Krieg und Zerstörung – und gab dem auch in seiner Lyrik Ausdruck. Norbert Pohlmann trug diese Texte dann auf deutsch vor.

Aber auch aktuelle Vorgänge, das Erstarken rechter Kräfte, hatte Norbert Pohlmann im Sinn. In Anlehnung an den Begriff der political correctness rief er auf, "Lassen Sie uns human correct sein. Und lassen Sie uns ein 'dennoch' mitdenken. Denn noch ist es nicht zu spät. Noch kann man etwas tun."

Mohamad Issa sprach in seinen Gedichten vom Asyl, das ihm gegeben wurde, und von Gedanken an die Heimat, bei denen das Herz fast platzt. In seinen Gedichten gab es Erinnerungen an Friedenszeiten und Berichte vom Krieg in der Heimat. Und in der deutschen Übertragung erinnerte das an griechische Heldensagen, wie die vom Untergang Trojas. Die Geschichte der Kriege ist alt. Und sie ist leider nicht zu Ende. 

In einem Gedicht hieß es "Welche Schuld tragen die Kinder?". Die Frage war wie eine Vorschau auf die Filmcollage. In der zum Ende auch die Toten des Krieges vorkamen. In endlosen Reihen von Särgen, in Bildern von Menschen, die die Reihen von Toten auf der Suche nach Angehörigen abgingen. Und, wohl am berührendsten, in den Anblicken toter Kinder, die Hände über der Brust gefaltet, das Haar sich noch leicht im Wind bewegend.

Der Saal des Forum Gestaltung lag im Licht roter Scheinwerfer. Erinnernd an den Feuerscheinder brennenden Stadt. Ich musste an einen Bericht meines Vaters denken, der damals 6 Jahre alt war, im 50 Kilometer Luftlinie entfernten Rodleben wohnte, und sich noch an den Feuerschein des brennenden Magdeburgs am Horizont erinnern konnte. Um die eindrückliche Wirkung dieser nächtlichen Zeichen nach Bombardierungen brennender Städte zu verstehen, muss man sich daran erinnern, dass es damals nächtliche Verdunklung gab und es anders als heute nachts völlig dunkel war.

In der Filmcollage wurde der Weg des Krieges nachvollzogen. Von der Entfernung von Antikriegsmahnmalen wie der Barlach-Skulptur im Magdeburger Dom über die beginnende Rüstungsproduktion hin zum Angriffskrieg und zur Deportation der Juden aus Magdeburg. Filmaufnahmen vom Krieg, zu Boden und in der Luft endeten mit einem Flug entlang der Elbe durch das zerstörte Magdeburg.

Vor der Leinwand stehend, neben den lebensgroßen Bildern von Menschen, von marschierenden Soldaten und Kriegstoten, stellte auch die Musiker vor Herausforderungen. Die Wahrnehmung dort oben auf der Bühne ist nochmals eine andere als unten im Publikum. "Mich nimmt das jedesmal völlig mit", sagte Warnfried Altmann nach der Aufführung, "ich muss erst mal wieder zur Ruhe kommen". Er und Hermann Naehring verliehen den Bildern Töne. Warnfried Altmann mit seinem Saxophon, Hermann Naehring mit der Vielfalt von Schlaginstrumenten, die das Marschieren der Soldaten ebenso nachbildeten wie das drohende Brummen der anfliegenden Bomber.


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