Montag, 18. Oktober 2021

Pericopes +1

Pericopes +1: das Jazz-Trio aus Italien begeisterte mit seiner Mixtur aus Wildheit und Harmonie. Magdeburg war zweite Station der gerade begonnenen Tour zur Vorstellung ihrer neuen CD "Up".

Alessandro Sgobbio – Klavier
Emi Vernizzi – Saxophon
Ruben Bellavia – Schlagzeug

"Der Kultur-Hunger scheint ausgebrochen zu sein. Ich bin so glücklich, den Saal voll zu sehen", begrüßte Warnfried Altmann das Magdeburger Jazz-Publikum, und stellte die Band vor als "gelungenes Beispiel, wie man Elektronik und analoge Instrumente verbinden kann". 

Eine solche Verbindung gab es in der Tat, denn aus Alex Sgobbios Korg-Piano und Synthesizer strömen sphärische Klänge, über die Emi Vernizzis warm und klar sein Saxophon spielt. Ruben Bellavias Schlagzeug ist da noch zurückhaltend, und in der Kombination der drei Musiker flutet eine Woge von Klang den Saal. Erst recht als Sgobbio beginnt, das Piano mit vollem Körpereinsatz zu spielen, aufsteht, die Musik nicht nur spielt, sondern diese auch tanzt, sich wie ein Derwisch vor und zurück, auf und ab bewegt. Trotz der Dynamik, die sich auf die Musik überträgt, und trotz der Kraft und Lautstärke bleibt der Sound stets lässig. 

Auch Emi Vernizzi hat vor sich ein großes Set unterschiedlicher Effektgeräte aufgebaut, verleiht seinem Saxophon ab und an einige Tonvarianten und Echos. Deutlich in einem langen Saxophon-Solo, als er den akustischen Klang des Instruments mit Aufnahmen seiner Loop Station kombiniert. Alex Sgobbio spielt dazu Wortfetzen ein, die an Straßenszenen erinnern. 

Ein interessantes Stück, bereits aus einer früheren Veröffentlichung, war "Trough Piat". Wie Alex Sgobbio später erklärte, eine Remineszenz an das Stadtviertel Belleville in Paris, in dem er einige Zeit lebte, wo früher Edith Piaf zuhause war und heute eine bunte Mischung unterschiedlichster Kulturen zu finden ist. "A little bit crazy", ein bisschen verrückt, sagt er über das Leben dort, oder meint er die dazu entstandene Musik? Denn auch die war eine verrückte Mischung aus wildem extatischem Spiel und Melodiosität. 

Auch das Schlagzeug von Ruben Bellavia bekommt sein eigenes Stück elektronischer Verfremdung:, als Emi Vernizzi das Instrumentenmikrophon seines Sax in Richtung des Schlagzeugs dreht und mit seinen Effektgeräten mit den Klängen des Schlagzeugs experimentiert, diese sampelt, verstärkt und verzerrt. Eigenartige Töne, die man gar nicht so recht bekannten Klängen zuordnen kann. 

Das letzte Stück (vor der Zugabe, denn ohne die ließ das Magdeburger Publikum die Musiker nicht gehen) begann rein akustisch: Alex Sgobbio drehte sich zum hinter ihm stehenden Bechstein-Flügel und begann darauf zu spielen. Lange Akkordfolgen, rauf und runter auf der Tastatur. Erst später kamen nochmal die elektronisch erzeugten Klänge eines Vibraphons hinzu. 

Warnfried Altmann, Organisator der Reihe und selbst Saxophonist, war von der Musik so begeistert, dass er nach dem Konzert auf die Bühne kam, um den "Tänzer am Piano" und den "Colossus am Saxophon" zu würdigen. "Hier waren große Musiker zu erleben", sagte er zur Verabschiedung der Band. 

Wie kommt der seltsame Bandname zustande, frage ich nach dem Konzert. Der geht auf nichts weniger als bedeutende Schriften des Altertums zurück, erklärt Alex Sgobbio (man kennt so etwas heute noch aus Wochenabschnitten der Bibel, die im Gottesdienst gelesen werden. "Perikopen sind wichtige Abschnitte aus solchen Werken, die zitiert werden, und wir meinten damit bestimmte Teile der Musik damit, die wir in unseren Konzerten ebenfalls 'zitieren'". Das +1 war dann der Schlagzeuger Nick Wight, der zum ursprünglichen Duo hinzukam. (Zun heutigen Konzert schaffte er es nicht aus den USA nach Deutschland zu kommen, stattdessen saß dann Ruben Bellavia an den Drums.)


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen