Montag, 20. Februar 2012

Deep Schrott

Deep Schrott mit
Wollie Kaiser, Baßsaxophon
Andreas Kaling, Baßsaxophon
Jan Klare, Baßsaxophon
Dirk Raulf, Baßsaxophon

Dirk Raulf, Andreas Kaling,
Jan Klare, Wollie Kaiser (v.l.n.r.)

Das Markenzeichen von Deep Schrott steht schon vor dem Auftritt unübersehbar, weil in stabilen Ständern aufgestellt, auf der Bühne: vier riesige Saxophone. In dieser Kombination sind die vier nach eigenem Bekunden das einzige Baßsaxophonquartett der derzeit erforschten Universen. Was mag man von dieser Anordnung von vier der tiefsten Instrumente (abgesehen vielleicht von Tuba und Sousaphon) erwarten? Deep Schrott macht es vor: aus den dicken Röhren kommen Klänge, die sich überwiegend dicht am Infraschall bewegen, mit vielen Baßschlüsseln auf den Notenblättern, daneben aber auch jede Menge anderer Töne beinhalten können, mit einem Tonumfang über mehrere Oktaven. Im ersten Set vor allem eigene Bearbeitungen bekannter Titel aus Rock, Pop und Metal. Der Größe der Instrumente entsprechend immer ein wenig langsamer als das Original (schließlich dauert es physikalisch bedingt, bis bei den tiefen Tönen die Luftsäule in die richtigen Schwingungen kommt). So hören sich die eigentlich meist bekannten Melodien interessant anders an, liegen die Töne gefühlt viel näher beieinander als in der gewohnten Stimmlage. Um den sehr großen Tonumfang der Instrumente nutzen zu können, verteilen die Musiker die Stimmen auf die einzelnen Instrumente, wodurch die Titel eine sehr interessante Dynamik erhalte, so wie beispielsweise bei Nirvanas "Smells like teen spirit". Dort wurde es spätestens bei der Zeile "here we are now, entertain us" so richtig laut – die Unterhaltung war an diesem Abend jedenfalls gesichert. Das darauffolgende "Mr. Tambourine Man" von Dylan war dann der Gegensatz, ruhige Melodien zum Entspannen. Man konnte, so man einigermaßen textsicher war, den Text förmlich heraushören. Dylan's Titel "Blowing in the wind" hätte man gut auch stellvertretend für den Wind aus den Rohren nehmen können, aus kräftigen Lungen geblasen, die großen Klappen der Instrumente dabei als Schlagzeug oder Percussion nutzend. Das "Rainy Day Women" war dann wieder flotter und klang ein wenig nach Dixieland.


Der zweite Set war deutlich rasanter, improvisierter und für mich der interessantere Teil des Konzertes. Den Beginn stellte Raulf unter das Motto "metal plays metal". Bei Titeln von slipknote und system of a dawn wurde es heftig laut; unverhofft zeigten die vier nun auch den oberen Grenzbereich der Instrumente, als sie sie in einem schrillen Diskant loskreischen ließen. Wie bereits im ersten Set erfuhr man die Möglichkeiten der Instrumente, die weit über tiefe Hintergrund-Sounds hinausgehen.

Inhaltlich andere Seiten der Musik zeigte die musikalische Auseinandersetzung mit Eisler. Beim "Lob des Kommunismus", gab es die auf dem Megaphon gesprochenen Worten zu den Saxophon-Klängen. Eigentlich fehlte da noch ein "Lege den Finger auf jede Note – Du mußt sie spielen" (frei nach Eislers Lob des Lernens). Eine schöne, anarchistische Interpretation der Musik. Daß es so etwas noch gibt – Arbeiterkampflieder auf der Jazzbühne. Aber das denkwürdige 200. Jubiläumskonzert von Jazz in der Kammer hatte schließlich ähnliches im Programm. Damals übrigens auch mit Wollie Kaiser. Auch mein spezieller Lieblingstitel von Eisler war mit im Programm, seine Hommage "An den kleinen Radioapparat", der ihn im Exil mit der geliebten und gehaßten Heimat verband.

Deep Schrott wurde nicht ohne Zugaben von der Bühne gelassen. Mit ihrer Fassung von Led Zeppelins Klassiker "stairway to heaven" zeigten sie zum Abschluß nochmal ihre melodische Seite. Ein im wahrsten Sinne des Wortes lange nachtönender Abend ging zu Ende, mit Tönen die selbst ohne Verstärkung den Boden unter den Füßen vibrieren ließen.

In der Ankündigung des Programms hatte ich ein Bild der Band-Webseite verlinkt: ein Foto aus den dreißiger oder vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts, eine hübsche junge Frau mit einem riesigem Saxophon. Dirk Raulf versicherte, das sei die Vorbesitzerin seines Instruments. Ein bereits altgedientes Exemplar also, ein gut eingespieltes, das von Raulf weiterhin mit Leben erfüllt wird.

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