Dienstag, 16. Dezember 2025

Experienced

"Experienced" war heute als Projekt von fünf Musiker:innen auf der Jazz-Bühne im Magdeburger Forum Gestaltung zu hören. Und wenn man es wörtlich übersetzt: fünf erfahrene, versierte Musikerinnen:

Amy Green – Stimme
Andreas Willers – E-Gitarre
Rieko Okuda – Keyboard
Jan Roder – E-Bass
Christian Marien – Schlagzeug


Dabei ist die Langform des Projektes vielmehr die Frage: "Have you ever been experienced?" – "Warst Du jemals erfahren?" – Eine Frage, die von Selbstreflexion zeugt, vom ständig dazulernen wollen. Aber genug der Vorrede. Nun zum heutigen Konzert:

Stand zu Beginn noch deutlich akzentuierter Sprechgesang, der vor allem von Gitarre und Bass konterkariert wurde, alles jedoch recht zurückhaltend, so änderte sich die Szenerie plötzlich auf einen Schlag, und dies im wörtlichen Sinn. Denn kaum meinte man sich eingehört zu haben, kaum dass sich auch Harmonien zwischen Stimme und Instrumenten bildeten, da schlug Christian Marien mit einer Kraft auf seine Trommeln, dass sich die Art der Musik um 180 Grad wandelte. Plötzlich war man vom Jazz- in ein Rockkonzert gewechselt. 

"All along the whatchtower" – ein Song von Bob Dylan, der aber in der Version von Jimi Hendrix bekannter wurde. Und es war auch vor allem Jimi Hendrix, der zur musikalischen Inspirationsquelle des Prjekts wurde. Literarisch war es der Beat-Poet Allan Ginsberg, von dem sich vor allem die Sängerin Amy Green beeinflussen ließ. "Was Ginsberg in den 1950er Jahre begann, war etwas völlig neues", sagte sie. "In seinen Texten fasste er die Gefühle seiner Generation , die Verzweiflung über die Zeit in Worte. Am wichtigsten und bekanntesten war sein Gedicht The Howl" – welches sie im zweiten Set des Konzerts begleitet von harter Jazzmusik vortrug, in der originalen und in einer 2025er Remake-Version. "Digital Howl" nannte Amy Green ihre Neufassung, in der von Verlassenheit in der digitalen (Un)Wirklichkeit hängen gebliebenen die Rede ist, von den in Chatfenstern verlorenen, von den Tinderverliebten, von den durch KI-gesteuerten Algorithmen manipulierten, deren Solidarität mit den Opfern von Kiew oder anderen Städten schon nach 24 Stunden erlischt.

"America" war ein weiteres Ginsberg-Poem. Der Text ist eine Auseinandersetzung mit den Themen der 50er Jahre, mitten im kalten Krieg, hier wird er begleitet von drönend lautem Bass. Jan Roder spielt ihn, von Effektgeräten verfremdet und verzert, mit so tiefen Tönen, dass man jede einzelne Schwingung der Saiten einzeln wahrzunehmen meint, dazu die Gitarren-Riffs von Andreas Willers, die an Jimi Hendrix erinnern. Was für ein Gegensatz daazu dann "Manic depression", voller Gefühl gesungen.

"Have you ever been experienced" war tatsäch nicht nur eine Frage, sondern auch einer der Titel eines Spoken Word Poems im Programm. Begleitet von Musik, in deren laute Stellen man sich fallen lassen konnte.

Und dann, als einer der letzten Songs, kommen völlig unerwartet Country-Melodien ins Spiel. Allerdings in einer zwischendurch sehr spacigen Form, mit Wechselspiel zwischen Rieko Okudas Digital-Piano und Amy Greens Stimme.

Das  Konzert war eine wunderbare Erfahrung – und ich merke grad beim Tippen dieser Zeilen, dass  die am Anfang stehende Frage auch so verstanden werden kann: "Gehst Du um eine Erfahrung reicher aus dem Konzert?" Die Antwort kann nur "Ja" heißen: Ich bin begeistert, wie kräftig und zugleich mit Gespür für die Stimmung die fünf Musiker:innen die Musik und die Texte der 50er und 60er Jahre ins Heute holen. 

Das aktuelle Projekt hat, wie nach dem Konzert zu hören war, eine lange Vorgeschichte: "Andreas, Jan und ich hatten vor etwa zwanzig Jahren schon mal ein Jimi-Hendrix-Projekt, und ein Berliner Jazz-Club regte an, das wieder aufzuführen. Wir kommen alle aus der aus dem Kontext des improvisierten Jazz. Die Verbindung zu Spoken Word war da nicht weit. Es ist eben alles eine assoziative Verbindung von Text und Musik."













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