Warnfried Altmann – Saxophon
Hermann Naehring – Schlagwerk
Mohamad Issa – Text
Norbert Pohlmann – Text
Das Foyer des Forum Gestaltung ist in düsteres Licht getaucht, in eine Mischung aus Flammengelb und Feuerrot. Im offenen Raum nebenan werden Holzschnitte von Georg Kaiser auf eine Leinwand projiziert, auch im Druck liegen sie aus, in einer in den 60er Jahren erschienenen Druckfassung. Mit kräftigen, breiten Schnitten karikiert Kaiser in seiner Serie "Die Gasgesellschaft" die Größen des Nazireiches in einer sehr deftigen Weise. Hitler, Himmler, Göring, Göbbels, Keitel und einige mehr werden der Lächerlichkeit preisgegeben und zugleich die Insignien ihres Größenwahns offenbart. "Kunst, die damals auf den Tod gefährlich war und doch zum Lachen, zum Aus-Lachen anregend", wie Norbert Pohlmann in seinen Worten vor dem Beginn des Konzertes sagte. "Angesichts einer braunen Versumpfung sollen uns die Blätter daran erinnern, daß die Deutungshoheit über die Ereignisse des Krieges nicht den falschen, nicht den Rechten überlassen werden darf".
Um dem Erinnern auch filmisch eine Basis zu geben, stellte Pohlmann schon vor etwa zehn Jahren eine Collage aus alten Kriegsfilmen zusammen. Ausschnitte aus Wochenschauen sind darin ebenso enthalten wie Filme aus Aufklärungsflügen oder Kriegsberichte der Alliierten. Eingeblendete Textpassagen aus Göbbels' Tagebuch offenbaren die Totale-Kriegs-Rhetorik, die die Welt an den Rand des Untergangs trieb.
Während im Hintergrund bereits der Beginn des Films lief, in dem gerade die Rüstungsmaschinerie anlief, und Hermann Naehring auf der riesig großen Taiko-Trommel zwar leise, aber dennoch bedrohlich zu trommeln begann, las der Syrer Mohamad Issa Gedichte. Gedichte über den Krieg und über seine Heimat, die im Anschluß von Norbert Pohlmann ins deutsche übersetzt wurden. "Ein Irrsinn ist über die Menschen gekommen", heißt es darin, und bedrückend ist, wie konstant dieser Irrsinn doch bleibt.
Im Film ist zu erahnen, wie alles begann, wie das Volk auf Rüstung eingeschworen wurde. Derweil steht Hermann Naehring, den Blick auf die stumme Leinwand gerichtet und trommelt den Rhythmus der Rüstungsproduktion. Lauter und kräftiger werdend, während Warnfried Altmann eine klagende Weise auf seinem Saxophon anstimmt. Im Film werden da gerade in endloser Folge Granaten gedreht, Panzer geschmiedet und Flugzeuge gebaut.
Ein konkret auf Magdeburg bezogenes Zitat betrifft die Entfernung von Barlachs Antikriegs-Figurengruppe aus dem Magdeburger Dom. Auch damit begann alles: mit dem Auslöschen von Erinnerung an die Schrecken des Krieges.
Ein Stück weiter im Film lassen Messerschmidt-Bomber vor trockenen Bergketten den Angriff auf Guernica erahnen, später sieht man Panzer die Grenze nach Polen überrollen, Truppen durch russische Dörfer marschieren und Flugzeuge über griechischen Inseln Bomben abwerfen. Noch trifft es die anderen, aber bald kommt der Krieg zurück und auch in Deutschland brennen Häuser, werden Leichen zusammengetragen. Und als im Film die Fliegenden Festungen auf breiten Kondensstreifen nach Deutschland kommen, fragt Göbbels "Wollt ihr den Totalen Krieg?". Eine Erkenntnis kommt spät erst, vielleicht zu spät: am Ende spielt es keine Rolle, was da brennt und explodiert, und was auch die Feuerzungen verschlingen – zurück bleiben in jedem Fall Tod, Zerstörung und Leid. Zurück bleiben die Bilder toter Städte, egal ob nun Coventry, Rotterdam, Warschau oder dann am Ende Hamburg, Magdeburg und Berlin. Es ist eben "ein wahres Elend, dieser verdammte Krieg".
Der Film allein würde wohl kaum seine Wirkung so bedrückend entfalten, währen da nicht Hermann Naehring und Warnfried Altmann, die den Bildern eine Stimme geben. Altmann schreit auf seinem Saxophon das Leid der Menschen heraus, Naehring stimmt auf seinem riesigen Schlagwerk den Marschrhythmus ebenso an wie die Totenglocken.
Am Ende steht dann noch einmal Mohamad Issa vor der Leinwand. Ein letztes Gedicht von ihm, diesmal über Magdeburg, das ihm zur neuen Heimat wurde. Die Stadt Edithas beschreibt er darin, Guerickes und Telemanns, eine Stadt, die als grüne Perle am Fluß liegt. Und dann: lange Zeit Stille im Publikum, das sich erst nach und nach leise erhebt, um nach dem Konzert, um 21:28, dem Beginn des Angriffs, in aller Stille den Glocken der Stadt zu lauschen. Auf der Leinwand ist das Symbol einer Aufbau-Ausstellung aus den 40er Jahren zu sehen. Ein Phoenix ist darauf zu sehen und die Aufschrift "Magdeburg lebt". Für sein Heimatland wünscht sich Mohamad Issa, daß es auch wieder aufersteht. "Das ist nicht nur ein Wunsch", bekräftigt er, "das ist Gewißheit".
Hallo Thoralf, ich wiederhole hier einfach mal meinen Kommentar von facebook:
AntwortenLöschenMit deinem Bericht entwirft du ein Bild das den Abend lebhaft werden lässt auch für den, der nicht dabei war. An deinem Blog darf man nicht vorüber gehen. Gratulation! Die Fotos sind fabelhaft.