Montag, 18. Dezember 2017

Christoph Spendels Christmas Jazz Trio

Das Dezember-Konzert von Jazz in der Kammer ordnete sich mit Christoph Spendels Christmas Jazz Trio in das Dezemberthema "Weihnachten" ein.
Christoph Spendel (p)
Claudio Zangheri (b)
Jens Biehl (dr)

Bei der Ankündigung des Trios begrüßte Warnfried Altmann den Pianisten Christoph Spendel als einen ganz alten Bekannten, als einen der ersten, die nach 1990 bei Jazz in der Kammer in den Magdeburger Freien Kammerspielen auftraten. Der immer wieder mal in unterschiedlichen Besetzungen auf der Magdeburger Jazz-Bühne zu hören war, zuletzt im Oktober 2012.

Über sein Weihnachtsprogramm, mit dem er inzwischen auch schon seit mehr als 10 Jahren unterwegs ist, sagte Christoph Spendel: "Ich finde Weihnachtslieder faszinierend. Und ich spiele sie durchaus auch im Sommer – ich muß das sogar, immer dann wenn eine Weihnachts-CD im Dezember fertig sein soll". Und fügt hinzu: "die meisten Lieder werden Sie kennen – nur nicht in unserer Interpretation".

Nun werden ja Weihnachtslieder im Dezember zumindest auf den bekannten Dudelsendern vom Pop- bis zum Klassik-Bereich bis zum Überdruß rauf und runtergespielt (einzig im Deutschlandfunk bleibt man davon verschont) und ich muss eingestehen, dass ich auch ein wenig ungewiß war, was mich heute erwarten würde. Jedoch zeigte gleich der Beginn des Konzertes, dass derlei Befürchtungen mehr als unbegründet waren. Schon bei einem der englischen Weihnachtsklassiker, bei Rudolf, dem rotnasigen Rentier, entwickelt Christoph Spendel die anfangs noch klar heraushörbare Melodie gleich nach wenigen Takten zu etwas völlig verrücktem weiter, spielt lange Strecken mit freien Variationen, die kaum noch Ähnlichkeit zum eigentlichen Lied haben, das nur ab und an durchscheint. Auch bei Feliz Navidad, das ja nun wirklich zu den totgedudeltsten Weihnachtsliedern gehört (noch dazu, da es in allen Radiosendern nur genau eine Version davon zu geben scheint), gibt es von Beginn an Überraschendes zu hören: auf Blech-Glocken trommelt Jens Biehl kubanische Rhythmen, klingt das Lied so fröhlich und neu, daß es eine Freude ist zuzuhören. Chapeau! Und an dieser Stelle: Sorry für die einleitend niedergeschriebenen Zweifel.

So geht es auch im Programm weiter, fast alle Lieder haben mit Weihnacht oder Winter zu tun. Etwa wenn in "Leise rieselt der Schnee" Spendel sein Klavier mit viel Nachhall, aber sonst leise und langsam spielt (in einer Art, die mich an Vince Guaraldi erinnert, von dem später im Konzert auch noch etwas zu hören sein wird), von Claudio Zangheri am Baß leise begleitet. Die lange harmonisch nachklingenden Akkorde durchziehen das Stück wie leises Schneegestöber. Vor allem in solchen leisen Stücken erweisen sich die Musiker der Band auch als sehr aufmerksam, wenn sie genau auf einander hören, sich Melodiefolgen oder Rhythmen zuspielen. Und das Publikum läßt sich auch auf die leisen Stellen des Konzertes ein, läßt die Töne bis zum letzten Verhallen nachklingen, bevor es applaudiert. Eine schöne Konzertatmosphäre.

Das ganze ging nicht ohne musikalisches Augenzwinkern ab, etwa wenn Christoph Spendel beim Santa Claus is coming to town zum Mitsingen einlud – was spätestens nach ein paar Takten Improvisation völlig unmöglich war. Teilweise begann Christoph Spendel Lieder auf dem Klavier wie Kirchenchoräle zu spielen, denen Jens Biehl aber auch gleich karibische Rhythmen entgegenstellte. Etwa das "Engel haben wir vernommen", kräftiger werdend bis zum "In Excelsis Deo", das dann wohl an einen Musik-Gott irgendwo dort oben im Musik-Himmel gerichtet war. Oder "Herbei ihr Gläubigen", ein begeisternd gespieltes Stück, das sich weit vom Original entfernt, eher Rhythmus als Melodie ist und nach langem Schlagzeugsolo erst am Ende wieder auf den ursprünglichen Choral zurückkommt.

Am Schluß, als allerletzte Zugabe, stand etwas nicht-weihnachtliches: Das "Auld Lang Syne" (dt.: Nehmt Abschied, Brüder) des schottischen Nationaldichters Robert Burns, bei dem alle drei Musiker noch mal kräftig drauf los improvisierten, bevor dann dieser allerletzte Titel mit langsamen Klavierakkorden ausklang.

Später, nach dem Konzert, sprach Christoph Spendel noch von der langen Tradition in Amerika, sich im Jazz mit Weihnachtsliedern zu beschäftigen. Was schon mit Sinatra in den 50er Jahren begann, hat seine Fortsetzung bis heute. "Wenn wir die Weihnachtslieder spielen, dann verlieren wir im positiven Sinn den Respekt vor den Titeln", sagte Spendel. "und es sind eben auch wunderbare Grundlagen für Swing, Blues oder Latin". So waren dann letztlich die eigentlichen (Weihnachts-)Melodien im Konzert eher nebensächlich. Sie boten vor allem den musikalischen Ausgangspunkt und gaben eine Ausrichtung der Musik vor, ansonsten zählten eher die Variationen und Interpretation im Zusammenspiel der drei Musiker. Und in diesem Sinn war das Konzert wie eine Entschädigung für all die belanglos dahingespielte Unterhaltungsmusik auf Weihnachtsmärkten oder Weihnachtsfeiern. Von der ich tatsächlich gleich am nächsten Tag bei einer Betriebsweihnachtsfeier eines der schlechten Beispiele erleben durfte: dort wurde ein Saxophonist (ein durchaus begabter!) dafür bezahlt, die vielen Gespräche meiner Kollegen mit Weihnachtsstandards zu begleiten. Auch wenn wohl auch so etwas zum Broterwerb des Musikers gehört, aber mir tat der arme Kerl doch ein wenig leid und ich wünschte mich zumindest musikalisch zurück zur Jazzbühne des Forum Gestaltung, von der ich noch einige Melodien und Rhythmen und vor allem die lockere Stimmung im Ohr hatte. Danke für diese Alternative, die stärker in Erinnerung bleibt. 


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