Warnfried Altmann — Saxophon
Hermann Naehring — Schlagwerk und Percussion
Hans-Günther Wauer — Orgel
Mit jedem Schlag der langsam ausklingenden Kirchenglocken wurde das Publikum in der bis zum letzten Platz gefüllten romanischen Kirche ruhiger. In die Stille der Kirche tönte ein Bachscher Orgelchoral, auf der warm, fast wie eine menschliche Stimme klingenden Orgel. Hans-Günter Wauer, der inzwischen 86jährige Organist, spielte bereits zu DDR-Zeiten neben Kirchenmusik auch Jazz-Konzerte auf den Kirchenorgeln und ist noch immer ein Meister der Improvisation auf seinem Instrument. Etwas wackligen Schrittes wurde er von Warnfried Altmann zur Orgelbank geleitet; als dann aber seine Finger die Tasten berührten, waren alle körperlichen Gebrechen vergessen.
Warnfried Altmanns Saxophon begleitete die Orgel beim nächsten Stück, einem Luther-Lied, wozu das Publikum nach den ausliegenden Notenblättern mitsang, allerdings nicht ganz textsicher. Ein Trostchoral, der an die Entstehungszeit der Musik erinnerte, mitten in Not und Elend.
Anschließend begann Hermann Naehring ein dröhnendes Furioso auf seinem Schlagwerk mit Pauken und Percussion, das von Orgelklängen abgelöst wurde. Mich erinnerten diese Klänge an Altmanns und Naehrings Gedenkkonzert "ein wahres Elend der verdammte Krieg" aus Anlaß der Zerstörung Magdeburgs. Kriegstrommeln und Geschützdonner, darüber wie ein Trost die Töne der Orgel.
Unterdessen ging Altmann in den Chor der romanischen Dorfkirche und kam von dort, auf dem Saxophon ein beinahe wie menschlicher Gesang klingendes Lied spielend langsam zurück zur Orgel geschritten. Zur Orgel, die Naehring diesmal auf hochtönendem Blech begleitet, dem Zimbelstern der Orgel gleich, leicht, zart und fast schon spielerisch. Um gleich darauf jazzige Rhythmen anzustimmen, denen Altmann improvisierte Kirchengesänge unterlegt.
Ganz andere Klänge gab es, als Naehring auf der Handtrommel Altmanns Sopransax begleitete, die Musik klang diesmal nach einer Mischung aus Orient und Mittelalter.
So harmonisch blieb es aber nicht. Wauers Orgelspiel wird von Saxophon und Schlagzeug übertönt, die Musik wandelt sich in Maschinenlärm, der plötzlich abbricht, um eine Melodie auf dem Saxophon hervorklingen zu lassen, die aber nicht aus wohltönenden Harmonien besteht. Stattdessen klingen schmerzhafte Schreie aus dem Instrument, das kurz darauf mit jazzigen Melodiefetzen spielt.
In die dann wieder eingekehrte Stille des Kirchenraumes mischen sich ganz leise Naehrings Töne, ganz ruhig und sphärisch, wie eine Filmmusik, die dem Unterton nach vielleicht die eines Thrillers sein könnte. Es war interessant anzusehen, wie Naehring ganz ruhig und scheinbar mühelos und beiläufig auf seinem hunderte Instrumente umfassenden Schlagwerk spielt, dickwandige bronzenen Klangschalen reibt, Trommelfelle nutzt, um den Ton von Messingbecken wabern zu lassen, Röhrenglocken anschlägt. Altmann löst dazu Akkorde auf, die im Hall des Kirchenschiffs wieder zusammenfinden. Gänzlich zur Klanglandschaft, in die man sich geschlossenen Auges hineindenken kann, wird die Musik, als Naehring seinen riesigen Regenmacher hervorholt, der den Regen minutenlang leise fallen läßt.
Als Altmann und Naehring in jazzige Töne wechseln und sich improvisierend und bis an die Schmerzgrenze laut, immerschneller werdend ein Duell liefern, sprengen Sie endgültig die Grenzen der Kirchenmusik. Um dorthin wieder zurückzukommen, spielt Wauer zum Schluß des Programms ein zeitgenössisches Orgelstück von Olivier Messiaen, das von Altmann und Naehring diesmal nur leise begleitet wird.
Als Zugabe spielt Altmann "der Mond ist aufgegangen", begleitet von Naehring auf dem riesigen Gong – der zugleich den Mond symbolisiert.
Ein Programm, das weitab von üblicher Kirchenmusik lag, musikalisch anspruchsvoll und interessant.
Ein paar Fotos vom Konzert gibt es erst in den nächsten Tagen – schauen Sie dann nochmal hier rein.
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