Donnerstag, 16. Januar 2014

Gedenkkonzert im Forum Gestaltung

Ein Wahres Elend, der verdammte Krieg“, unter diesem Titel stand auch in diesem Jahr wieder das Konzert zum Gedenken an die Zerstörung Magdeburgs am 16. Januar 1945. In diesem Jahr sang der Neue Magdeburger Kammerchor unter Leitung von Christian Hoffmann, begleitet von Warnfried Altmann (Saxophon) und Hermann Naehring (Schlagwerk).

In der Begrüßung der Konzertbesucher durch Norbert Pohlmann wurde die Schwierigkeit deutlich, ein solches Konzert einzuleiten, zugleich an das tausendfache Elend so vieler unschuldiger Menschen zu erinnern und dabei auch noch der Gefahr zu begegnen, daß seit Jahren auch Rechte diesen Tag für sich vereinnahmen wollen. Zum Konzert sagte er, daß nach den in den letzten sieben Jahren gezeigten Videocollagen etwas neues ausprobiert werden sollte, daß nun ein Chor, der im Forum Gestaltung beheimatete Neue Magdeburger Kammerchor gemeinsam mit improvisierenden Musikern das Programm gestalte.

Das Konzert begann mit ganz leisen Tönen eines vom Chor gesungenen Chorals, der zunächst ganz langsam und noch fast unmerklich von leisen Glockentönen aus Hermann Naehrings riesigem Instrumentarium begleitet wurde. Als Naehring begann, auf seinen Trommeln und Pauken auch lautere Töne anzustimmen, als Altmann sein Saxophon laut schreien ließ, fielen dem langjährigen Besucher der Gedenkkonzerte im Forum Gestaltung die in den letzten Jahren zur Musik gezeigten Bilder ein, Bilder vom Kreislauf aus Propaganda, Rüstung, Angriffskrieg, Bombardement und Tod. Eine wohl unvermeidliche Assoziation - wenn man die Augen schloß, sah man die schwarzweißen Filme deutlich vor sich. Überhaupt war es ein Abend der Assoziationen, die sich aus der ungewohnten, weil überhaupt nicht melodischen Kombination von Kammerchor und instrumentaler Improvisation ergab. So gab es mehrer, lange Passagen, wo der Chor unvermindert weitersang, als Schlagwerk und Saxophon ihn mit ihrer gesamten Kraft um ein mehrfaches übertönten. Nur noch an der Bewegung der Münder konnte man das Singen erahnen. Meine Gedanken gingen an den Streit zwischen gut (Chor) und Böse (Instrumente), zwischen Krieg und Frieden, schwarz und weiß, den für eine Zeit lang das Böse, laut tönende für sich entschied. Hermann Naehrings Interpretation, die er nach dem Konzert äußerte, gingen da eher in Richtung eines direkteren Bildes, als er sagte, „so war das eben im Bombenkrieg – die Menschen schrien, aber man konte sie im Lärm der Bomben nicht hören“. Schon wieder hatte ich eine Assoziation vor Augen: die schreiend aufgerissenen Münder in Picassos "Guernica".
Für den Chor war es sicher eine Herausforderung, gegen die dissonant und lautstark spielenden Instrumente ansingen zu müssen. Für die Zuhörer waren dies die besonders eindrucksvollen Stellen, an denen sie fassungslos ob der unerhörten Klänge lauschten, waren das die Stellen, die dem Titel des Konzerts besonders nahe kamen. 

Der Neue Magdeburger Kammerchor zeigte die volle Breite seines musikalischen Könnens, sang nicht nur harmonische Chorsätze von Bach und anderen, sondern schaffte es auch, auf Zeichen seines Dirigenten bewußt "durcheinander" zu singen, Dissonazen in die Stimmen zu legen. Aber auch an anderen Stellen, unterstützt durch den starken Hall des Treppenhauses des Forum Gestaltung, sogar so etwas wie schweren Glockenklang heraushören zu lassen.

Überhaupt war die stark hallende Akustik bewußt in das Konzert einbezogen und von den Musikern ausgenutzt worden. Warnfried Altmann sagte dazu, warum das Konzert nicht wie sonst im Ausstellungssaal stattfand: "das Foyer haben wir bewußt wegen der Akustik gewählt, und für Hermann und mich, die wir auch oft in Kirchen spielen, war das ganz normal".

Das Konzert war für mich ein ganz besonderes Erlebnis: musikalisch anspruchsvoll – und wegen der experessiven Musik sehr schwer mit Worten zu beschreiben, was da zu hören war.


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