Heute war Timo Vollbrecht mit seinem Projekt "Fly Magic" im Forum Gestaltung zu hören. Ein hochkonzentriertes Spiel von vier bestens aufeinander eingestimmten Musikern. Für mich eine Entdeckung.
Timo Vollbrecht (sax)
Keisuke Matsuno (g)
Elias Stemeseder (p, synths)
Dayeon Seok (perc)
Die Musik der Band beginnt mit sanften Tönen aus Timo Vollbrechts Saxophon und leisen Gitarrenriffs von Keisuke Matsuno. Ab und zu sind dazu einzelne Töne zu hören, also ob jemand eine Melodie pfeift. Klangeffekte aus Emil Stemeseders Synthesizer, der auf dem Flügel steht. Später, bei einem langen Pianosolo, zeigt er, dass er nicht nur die Elektronik, sondern auch die Tasten des Flügels beherrscht. Dayeon Seok spielt im Auftaktstück ihren Schlagzeugpart wie in Zeitlupe gedehnt. Mir kommt es vor wie das, was ein Rock-Schlagzeuger als kräftiges Solo spielt, nur dass sie mit Ihren Stöcken in der selben Abfolge nacheinander ihre Drums und Becken schlägt, aber eben nicht leichthin und in hohem Tempo, sondern voller Konzentration hier und da und dort hinlangt.
Nach diesem zurückhaltenden Beginn findet die Band in einem Fusionsound zusammen, bei dem das Saxophon im Vordergrund steht. Insgesamt ist die Musik so was von ausgewogen, dass eigentlich egal ist, wo die Klänge grad herkommen. Und, um Missverständnissen vorzubeugen: nein, mit „ausgewogen“ meine ich nicht „beliebig“. Die Musik ist immer wieder faszinierend, auch wenn etwa völlig verrückte spacige Effekte hinzukommen, man das Raumschiff gleich abheben zu hören meint. Oder wenn sie ins rockige wechselt, bei „givers an takers“. „So heißt unsere Lieblingsbar in New York, in der nur Rockmusik läuft“, erklärt Timo Vollbrecht den Titel.
Überhaupt, New York. Man kann jetzt, da Konzerte wieder (oder inzwischen wohl eher: gerade noch) möglich sind, beim Musikhören schon mal vergessen, in welcher Situation sich die Musik- und Kulturwelt seit anderthalb Jahren befindet. Die vier Musiker spielen seit 2010 gemeinsam, haben sich in New York kennengelernt. „Wir spielen jetzt tatsächlich erst wieder die ersten gemeinsamen Konzerte“, sagt Vollbrecht. „wir waren jeder woanders und sind nun in Berlin gestrandet, weil wir nicht in die USA zurück konnten“.
„Desert City“ erzählt musikalisch von Halloween in Manhattan. Im gedimmten Bühnenlicht liefern Klavier, Percussion und Gitarre unheimliche Klänge, zu denen Timo Vollbrecht warm seine Klarinette klingen lässt. Mir scheint es passend zur Pandemie wie ein „Danse Macabre“, ein Totentanz im Marsch-Rhythmus. Oder vielleicht auch wie eine Musik zu einem Tim-Burton-Film. Die klappernden Knochen liefert Emil Stemeseder mit schnellen Finger auf den höchsten Tönen des Klavier.
Später ist die Musik angelehnt an einen groovenden Big-Band-Sound, das Klavier mit vollem Einsatz und wilden Akkordsprüngen, teils mit dem ganzen Unterarm gespielt, ach was, "gespielt" – das Klavier stampft den Takt, die Musik groovt mit einer Kraft, dass es im Magen brummt.
Vollbrecht kann aber auch romantisch: in "Midwood" („dort habe ich meine Frau kennengelernt“ sagt er) spielt Vollbrecht zu Synthieklängen eine gefühlvolle Saxophonstimme. Am Ende, mit „Mother‘s World“ als Zugabe, wird die Band nochmal groovig bis laut rockig, mit kräftigen Klängen der E-Gitarre und einem nach Toy-Piano klingenden Klavier.
Timo Vollbracht ist spitze
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