Montag, 19. Oktober 2020

Klohmann und Spendel

Saxophon und Klavier mit dem vollen Klang beider Instrumente. Das Oktober-Konzert von Jazz in der Kammer machte einen musikalischen Vergleich möglich – denn das September-Konzert hatte dieselbe Besetzung. Zweimal die gleichen Instrumente und doch so unterschiedliche Klänge. Wunderbare Vielfalt des Jazz!
Peter Klohmann – Saxophon
Christoph Spendel – Klavier

Am Beginn des Konzertes setzt sich Christoph Spendel ans Klavier und greift voll in die Tasten. Breite Akkorde schaffen eine harmonische Basis für die Melodien, die Peter Klohmann auf dem Sopransaxophon anstimmte. Avenue E heißt Spendels Komposition, gewidmet nicht etwa einer amerikanischen Straße, sondern der Eschersheimer Landstraße, die sich durch Frankfurt zieht und von seinem Wohnort bis zur Frankfurter Musikhochschule führt. Kräftig und klar klingt die Musik, sommerliche Klänge im regnerischen Herbst. Aus der anfänglichen Klavierbegleitung entwickelt sich ein Solo, bei dem Spendel die Töne nur so aus dem Klavier strömen und perlen lässt. 

Neben Eigenkompositionen gab es auch immer wieder Adaptionen von Stücken des American Songbook. Bei Body & Soul greift Klohmann zum Tenorsaxophon, gehauchte Luftzüge klingen wie das Atmen eines großen Tieres, dann plötzlich schreiend laute Töne, die durch die offene Tür des Saales hinaus in die Gänge des Forum Gestaltung und von dort wieder zurück hallen. Welch ein Kontrast beider Instrumente, als Spendel dann einsetzt, ruhig und akzentuiert spielt. 

In Spendels zeitweilige Heimat in Amerika führte er musikalisch mit an evening in New York. Er beschreibt darin die ruhigen Seiten der Stadt, vielleicht an einem warmen Sommerabend, in einem Park sitzend und darauf wartend, dass die Hitze der Stadt verschwindet. Oder am Fluss, denn zwischendrin sind ein paar Takte von Old Man River zu hören.  Wo gibt es solche ruhigen Orte im quirligen New York, frage ich Christoph Spendel später. "Ich habe damals in der Upper West Side gelebt", sagt er, "dort gibt es so wunderbare Ecken". 

Wieder zurück beim amerikanischen Songbook (Invitation) ist es wieder Peter Klohmann, der den Sound bestimmt, so vom Saxophon geprägt ist die Musik, laut aber immer melodisch. Großartig! Und ich weiß gar nicht, welche Stellen des Konzerts ich mehr genieße, die kräftigen oder stillen, wie bei der Ballade East of the sun and west of the moon. Während Spendels melodischem Beginn am Klavier bläst Klohmann das Tenorsaxophon mit rauschen in den Tönen, gibt der Musik eine geheimnisvolle Atmosphäre. 

Einmal greift Peter Klohmann auch zur Querflöte, teils auch verzerrt gespielt. Mit Marcos Vallets Summer Samba führen sie brasilianische Klänge und europäischen Jazz zusammen. Klohmann übernimmt die Melodie, Spendel den Rhythmus. Deutlich moderner dann das letzte Stück. In Canary's Ska mischen sich kubanische Klänge mit den kurzen und sich stets wiederholenden Klangmustern der Minimal Music.

Es war eine gute Entscheidung von Christoph Spendel, diesen wunderbaren Frankfurter Saxophonisten Peter Klohmann mit nach Magdeburg zu nehmen. "Ich kannte Peter Klohmann vorher nicht", sagte Warnfried Altmann, Organisator der Magdeburger Jazzreihe. "Weil wir in diesem Jahr das Saxophon in den Mittelpunkt stellen, hatte ich Christoph einfach gesagt 'bring jemdanden mit, der am Sax mit Dir spielt' und ihm die freie Wahl gelassen". Eine gute Wahl, denn obwohl beide erst seit kurzem gemeinsam auf der Bühne stehen, merkt man doch eine schöne Übereinstimmung ihrer musikalischen Gedanken, in der Kraft ihres Spiels sowieso. "In Frankfurt sind wir uns immer mal wieder über den Weg gelaufen", sagt Spendel "jetzt haben wir unser erstes gemeinsames Projekt gestartet". Und Peter Klohmann, der mit der "Jungen Szene Frankfurt" eine eigene Jazz-Reihe betreibt, erklärt die Frankfurter Jazz-Szene, die durch Austausch und Wechsel geprägt ist. "In Frankfurt fehlt an der Musikhochschule eine richtige Jazz-Ausbildung. Wer etwas in dieser Richtung machen will, geht erst mal weg, kommt später wieder, bringt Ideen mit. Und das Einzugsgebiet an jazz-interessiertem Publikum ist viel größer als in Magdeburg. Hinzu kommt noch der nahe Flughafen, es gibt wirklich Leute, die einen Tag Zwischenstop machen, um in Frankfurt in ein Konzert zu gehen." Glückliches Frankfurt!

Blick in den "Jazzkeller", den Saal des Forum
Gestaltung. Aus Vorsicht vor Ausbreitung der
Corona-Pandemie sitzen alle auf Abstand.
Gewöhnungsbedürftig, aber besser als
die Konzerte absagen zu müssen.
Christoph Spendel sagt dem Publikum
am Ende: "ich freue mich, Menschen aus '
Fleisch und Blut vor mir zu haben,
keine Livestream-Kamera".

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