Montag, 16. September 2019

Max Andrzejewskis Hütte & Guests play the Music of Robert Wyatt

Kräftige Musik mit einer begeisternden Sängerin war heute auf der Jazzbühne im Forum Gestaltung zu hören. Max Andrzejewskis Hütte & Guests stellte die aktuelle CD vor, auf der sie Musik von Robert Wyatt neu vertonten.
Max Andrzejewski – Schlagzeug
Tobias Hoffmann – Gitarre
Andreas Lang – Bass
Johannes Schleiermacher – Saxofon, Querflöte
Ayşe Cansu Tanrıkulu – Gesang
Jörg Hochapfel – Piano, Gitarre

Für sein aktuelles Projekt hat Max Andrzejewski seine "Hütte", sein Quartett, verstärkt, hat die Sängerin Ayse Cansu Tanrikulu und den Pianisten und Gitarristen Jörg Hochapfel hinzugeholt. Zu sechst verbreiten sie von der Bühne herab einen kräftigen Sound, der mal jazzmäßig gewohnt akustisch klingt, mal (oder sogar überwiegend) von Elektronik geprägt ist. Psychedelische Klangwelten tun sich aus, wenn die Instrumente elektronisch verfremdet werden, ihre Klänge sich überlagern, vervielfachen, verzerrt und verfremdet werden.

Hinzu kommt die begeisternde Sängerin Ayse Cansu Tanrikulu, die mit eindringlicher Stimme singt, vor sich ebenfalls ein Effektgerät, das zusätzliche Akzente setzt, Echos, Wiederholungen, Überlagerungen. Der Verwendung von Effektgeräten für die Stimme stehe ich zwar meist eher skeptisch gegenüber. Hier jedoch passen sie zu Cansu Tanrikulu, fügen ihrem kräftigen Gesang, manchmal sind es auch nur laut herausgeschrieene Worte, erst so richtig in die gewaltigen Klänge der Band ein. Dann wieder (wie bei "Cuckoo Madame") singt sie sehr sanft, bildet einen leisen Kontrast zu den interessanten Toneffekten der Band. Wenn ihre Stimme in solchen Stellen klar und einfach neben dem Saxophon zu hören ist, während die Sängerin im fahlen, blassblauen Bühnenlicht steht, dann hat das etwas sehr berührendes.

Es ist eine imposante Musik, wenn das Saxophon vor dem kräftigen Sound der elektrischen Gitarren und dem akustischen Bass schreiend laut zu hören ist und Cansu Tanrikulus Stimme das Sax unisono begleitet, mit ebenso kräftigen, klagenden Tönen, die sie durch die Elektronik auch noch verdoppelt und verdreifacht. Oder wenn Johannes Schleiermacher zu seiner Querflöte greift, erst klassisch inspiriert spielt, bis sich seine Töne in dissonanten Höhen mit Weltraumklängen aus dem Keyboard treffen. Ein Tohuwabohu wie ein Alptraum aus zu vielen Computerspielen, bei denen Laserstrahlen durch den Raum zischen. Dann sind wieder langgezogene Gitarrenriffs zu hören. Melancholische Musik, die ich mir auch gut als Begleitung eines Neo-Westerns vorstellen könnte und die wie eine Erholung nach den wilden Stellen des Konzerts ist.

Die Band liefert in weiten Teilen des Abends eine überaus wilde und kräftige Musik, die man einfach laut hören muss. Jetzt, da ich diesen Text schreibe, läuft die CD – und sie läuft nicht nur im Hintergrund: die Regler sind weit aufgedreht. Die Musik gibt eine Erinnerung an das zu Ende gegangene Konzert – das wohl noch eine Größenordnung wilder und impulsiver war.

Andrzejewski hat für die Band Texte von Robert Wyatt zusammengestellt, Teile der Musik für seine Band arrangiert und einige neue Stimmen hinzugefügt. "Viele Texte von Wyatt sind links geprägt, teils sogar extrem", sagt Andrzejewski nach dem Konzert über den Musiker, der Mitte der 60er Jahre Musik im Artrock und Psychedelischen Rock machte, mit Soft Machine bekannt wurde und später Antikriegslieder ebenso schrieb wie Musik für die Umweltbewegung. Aus dieser politisch-anarchistischen Ecke stammt wohl auch das letzte Lied der CD, mit der Textzeile Starting in the Middle of the Day we Can Drink Our Politics Away. Eines der musikalisch eindrucksvollsten Stücke: Cansu Tanrikulu singt in ständiger Wiederholung diese eine Zeile, in langgezogenen Silben, die zunächst gar nicht als Text erkennbar sind. Ihre Stimme klingt wie ein Teil der instrumentalen Musik, wird von Bass, Saxophon und Gitarren übertönt – und allmählich, ganz langsam, wird die Musik immer ruhiger, während ihre Stimme immer klarer aus den anfangs verwirrenden Klängen um sie herum herauskommt, der gesungene Text geradezu emporzusteigen scheint, nur noch ganz sparsam von leisen Tönen begleitet. Großartig!


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