Boris Bell – Schlagzeug
Nikolaus Neuser – Trompete
Silke Eberhard – Altsaxophon
Antonis Anissegos – Piano
Das Quartett um Boris Bell (das „3εll“ wird übrigens ganz einfach wie der Name des Schlagzeugers ausgesprochen) spielte eine hochkomplexe Musik, weit entfernt von jedem easy-listening-Jazz. Musik, Töne, Klänge, in die man sich erst einmal einhören muss. In den ersten zehn Minuten gibt es nichts eingängiges, das sofort beim ersten Hören vertraut klingt, weder vom Rhythmus noch von den Melodien her. Das Ohr muss sich neu orientieren, die Zusammenhänge erkennen. „Vergesst was ihr kennt“, scheinen die Musiker zu signalisieren. Bell gibt an seinem Schlagzeug einen Rhythmus vor, Silke Eberhard und Nikolaus Neuser setzen einzelne Bläsertöne dazu und Antonis Anissegos sparsame Akkorde, zu denen er auch mal in den Flügel greift und mit der Hand die Saiten zupft. Erst nach diesem extremen Beginn werden die Strukturen im Zusammenspiel von Klavier, Schlagzeug und Bläsern deutlicher, gewinnt das Zusammenspiel an drive.
Bells Schlagzeug variiert zwischem leisen Geklapper und kraftvollem Einsatz des kompletten drum set, das Klavier ist mehr Teil des Schlagzeugs als Melodieinstrument. Zusammen klingt das zum Teil wie die Arbeitsgeräusche eines nach einem bestimmten Schema funktionierendem Mechanismus, den Bläsern kommt über lange Strecken hinweg eine begleitende Rolle zu.
Im zweiten Set ist die Musik schon sehr viel vertrauter, vielleicht ist es auch so, dass auch der Zuhörer die Strukturen mitdenkt, sich Raum für eigene Assotiationen des Gehörten geschaffen hat. Da hört man mal afrikanische Klänge heraus, dann wieder experimentelle Klangeffekte. Für diese sorgt auch Nikolaus Neuser mit einer Verwendung seiner Trompete als Percussion-Instrument, bei der der Zuschauer doch ein wenig mit dem Instrument mitleidet. Er erzeugt nicht nur Quietsch-Geräusche durch das Drehen der Dämpfer im Trichter der Trompete, er schlägt auch Dämpfer und Trompete klappernd gegeneinander, schiebt das Blech der Trompete über den Bühnenboden. Bei aller Wildheit des Konzertes hat es an diesen Stellen seine ganz leisen Momente, bei denen das Publikum ganz intensiv auf kleinste Nuancen lauscht und selbst solch leise Töne wie das Klappern der Klappen des Saxophons oder das Rascheln der Notenblätter Teil der Musik sind – oder auch das Fump! des Gummidämpfers, als dieser erst auf den Boden gepresst und dann hochgerissen wird. Das ist weit von herkömmlicher Musik entfernt und macht doch Freude zuzuhören.
Ihre Zugabe nutzen die vier Musiker, um völlig losgelöst von einer notierten Komposition mit einer erkennbaren Freude zusammen zu spielen, schnell, fröhlich, experimentierend. So wie eine – sogar melodiösere – Quintessenz der vorangegangenen zwei Stunden neuer Musik.
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